Tulove Grede
Fahrt zum Tulove Grede
Wir haben so viel erlebt heute, aber wir wären nicht wir, hätten wir heute nicht noch ein Highlight auf dem Programm: Wir wollen zum Tulove Grede, einem der wichtigsten Drehorte der 1960er-Winnetou-Filme.
Dazu heißt es erst mal Strecke machen, aber auch tanken. In Korenica, 20 km südlich des Haupteingangs der Plitvicer Seen, kommt die erste Tankstelle, die nehm‘ ich. So dicht wie bei uns in Deutschland ist das Tankstellennetz hier nämlich nicht. Außerdem kostet der Sprit, egal wo, in Kroatien (oder nur in Dalmatien?) einheitlich 1,38 €/l.
Ohne Navi bis Du verloren – mit Navi auch
Von Korenica bis über Lovinac (ich will die Autobahn vermeiden) sind es noch 55 km. Dazu hätte ich beim Abzweig Mutilić (32 km nach der Tanke) aber geradeaus auf die 522 gemusst, dann wären’s bis Sveti Rock noch 22 km gewesen. Aber wie’s der Teufel will, macht 2 km vorm Abzweig der Saugnapf des Navis schlapp und das TomTom fällt aufs Armaturenbrett. „Fahren Sie in 2 km geradeaus.“ Nun, das habe ich gemacht und war weiterhin auf der D1. Durchgezogener Mittelstrich, keine Chance zu wenden und auch keine, um irgendwo anzuhalten und das Navi wieder „festzupappen“. Die 1½ km bis zum Abzweig nach Udbina kommen mir deshalb ewig vor und auch dort ist das Wenden durch Umfahren der Verkehrsinseln sicher verkehrstechnisch nicht korrekt.
Jedenfalls bin ich jetzt wieder beim Abzweig Mutilić und auf der 522. Aber auch hier ist die Mittellinie durchgezogen und es gibt keine Chance anzuhalten. Erst nach – unendlichen – 2 km ist rechts eine kleine geschotterte, ebene Fläche, wo ich – sicher nicht legal, aber doch so am Straßenrand, dass ich anhalten kann und das „Katzabärle“ komplett auf der Fläche neben der Fahrbahn steht und diese nicht blockiert.
Ich befestige das Navi neu und suche aus „meinen Lieblingsplätzen“ „Winnetou-Drehort-Tulove Grede“ aus. Dann geht’s los, aber auch das nicht ohne Probleme. Anstatt bei der Kreuzung 522/D50 geradeaus zu fahren, fahre ich rechts, weil mir die Straße nach Sveti Rock rein – ich war 2015 schon mal auf dem Tulove Grede – absolut fremd vorkommt.
Nach langem Suchen auf der D50 – zunächst 2 km Richtung Gospić dann wieder 4 km zurück Richtung Gračac usw., usw. – finde ich 100 m nach einem braunen Hinweisschild „Park prirode Velebit“ und „Cerova ke špilje“ in einer Seitenstraße (bei 44.340131, 15.643953) endlich den Weg Richtung Tulove Grede.
Immer mit der Ruhe
Etwa 2½ km nach dem Velebit-Schild liegt mitten in Sveti Rok dann plötzlich etwas Braunes auf der Straße. Es ist ein Hund, der nicht die Spur einer Anstalt macht, sich von meinem „Katzabärle“ aus der Ruhe bringen zu lassen.
Man hat den Eindruck, dass es hier – außer dem Hund natürlich – kein weiteres Leben gibt.
Langsam wird’s abenteuerlich
Während die Straße in Sveti Rok noch geteert ist, beginnt etwa 5 km oder 6 km später der dichte Wald und darin die abenteuerliche Schotterstraße über den Mali-Alan-Pass.
Angesichts der Strecke kann ich nur noch einen Schwur der Treue und Freundschaft zitieren, der oft zwischen den Helden in Karl Mays Geschichten ausgesprochen wird. „Durch Dick und Dünn, bis in den Tod!“ Natürlich hoffe ich dabei, dass wir und der Panda das Abenteuer „Tulove Grede“ heil überstehen.
Als ich wieder mal rechts ranfahre, um ein Foto zu machen, hält links von mir – ich muss anmerken, hier fährt sonst überhaupt niemand – ein Jeep und die ganz offensichtlich darinsitzenden Kletterer fragen, ob wir eine Panne hätten und Hilfe bräuchten. Natürlich brauchen wir keine Hilfe! Die kennen wohl die Qualitäten eines Pandas nicht.
Außer den Männern im Jeep sind dann noch drei Enduros an uns vorbeigefahren, ansonsten haben wir hier niemanden anderen mehr gesehen.
Auf dem Alan-Pass
Die Passhöhe, die wir um Dreiviertel sechs erreichen, ist nicht nur die Grenze zwischen den Gespanschaften Zadar und Lika-Senj, sondern auch die zwischen der milden adriatischen Klimazone und dem etwas raueren Gebirgsklima des Hinterlandes. Insofern ist die Nordostseite des Gebirges größtenteils dicht bewaldet und die Südseite karg.
Ich steige aus und denke an Nscho-tschi, die zwar nicht genau dort, wo ich hinzeige, von Santer erschossen wurde, aber doch irgendwo hier. Wie habe ich Mario Adorf als Neunjähriger damals gehasst. Heute – 60 Jahre später – weiß ich, dass er in Wirklichkeit gar kein Mörder war, sondern seine fiese Rolle nur exzellent gut gespielt hat.
Auf dem Bergsattel Baćin Stolac fahrend, den 1060 m hohen Kuci Marunića vor uns, kommen wir nun an der Gedenkstätte für den kroatischen Polizisten Ante Baljak vorbei.
Waren Santer und Nscho-tschi in Winnetou I noch Fiktion, ist das hier brutale Realität. Ich kenne den hier geehrten Polizisten zwar nicht, aber es macht mich irgendwie betroffen, dass ein nur 21-Jähriger bei einem sinnlosen Krieg – angeblich bei einem „Spezialauftrag“ – genau hier am 4. August 1995 sein Leben lassen musste. Da ist einem der Krieg dann noch viel näher, als wenn man, wie gestern auf der Fahrt zwischen Rijeka und den Plitvicer Seen, „nur“ zerbombte und zerstörte Häuser sieht.
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