Die Plitvicer Seen, Teil 2
Zwischen den Unteren und den Oberen Seen
Die Wanderung entlang der Unteren Seen hat bei uns einen tiefen Eindruck hinterlassen. Wahnsinn, wie kraftvoll – aber auch schön – die Natur sein kann. Gleichzeitig müssen wir aber auch daran denken, wie wichtig es ist, solch einzigartige Naturwunder zu schützen und zu erhalten Und da zahlen wir die fast 40 € Eintritt gerne.
Langsam wird der Weg breiter und da er geteert ist, auch viel leichter begehbar. Geradeaus geht es – ich weiß nicht, wohin – weiter, wir aber folgen den Wegweisern A, B, C und P3 über die Holzbohlenbrücke nach rechts. Rechts von uns liegen nun die Unteren Plitvicer Seen, in denen das Wasser vom Milanovac jezero, der jetzt direkt rechts neben uns liegt, bis runter zum Novakovića brod jezero lediglich 20 Höhenmeter überwindet. Obwohl wir nur etwa 135 Stufen hoch gestiegen sind, war der Weg für uns doch recht anstrengend.
Bis zum P3 ist es jetzt nur noch – ebenerdig und auf einem gut ausgebauten Weg – etwa ein halber Kilometer.
Als wir rechter Hand am obligatorischen Souvenirshop vorbeikommen – den es wohl bei jeder touristischen Einrichtung gibt –, haben wir unser erstes Ziel, den P3 erreicht. 75 Minuten sind wir marschiert und auf dem eigentlich nur 2½ km langen Weg aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Mehr kann man nicht mehr erleben, deshalb wollen wir es mit dem Staunen und Bewundern der Schönheit der Natur – wir sind ja regelrecht erschlagen – hier auch bewenden lassen.
Die Oberen Seen
Kozjak jezero
Picknick am P3
Während Susanne für uns auf dem riesigen Platz einen geeigneten Tisch sucht – auch wenn doch etliche Besucher hier sind, verlieren sie sich –, versuche ich, im Schnellrestaurant Kozjačka Draga was zu trinken und eine kleine Brotzeit zu besorgen.
Ich stell‘ mich in die Reihe der Wartenden. An der Kasse – und jetzt kommt der Hammer, denn Bargeld nehmen die hier nicht – wird meine Karte für einen Cappuccino, einen Latte Macchiato und zwei Cheese-Sandwiches mit 12,74 € belastet. Dafür bekomme ich zwei Bons, mit denen ich an einer Theke noch mal anstehen muss.
Die Getränke – die sind so heiß, dass man sie nicht anfassen kann – gibt’s in winzig kleinen Pappbechern, dafür sind die in Folien eingewickelten Cheese-Sandwiches aber so groß, dass ich eins davon wie ein Tablett benutzen und die zwei unfassbar heißen Becher da drauf abstellen kann. So jongliere ich alles Richtung Susanne zum Tisch.
Mit Heißhunger lassen wir’s uns schmecken. Die Folie um die Sandwiches, die ich anfangs für blöd hielt, erweisen sich dann aber doch als Glücksgriff, denn so kann man die Reste der riesengroßen Sandwiches noch mal einpacken und vielleicht später auf der Tour noch essen.
Fahrt mit dem Elektroboot über den Kozjak
Ich weiß nicht, ob ich‘s schon erwähnt hab‘, aber der P3 befindet sich direkt am Kozjak, dem größten, der – wenn man nur die Wesentlichsten nimmt – 16 Plitvicer Seen. Er bildet die symbolische Trennlinie zwischen den elf Oberen und den fünf Unteren Seen. Mit 81,5 ha ist er in etwa so groß wie der Mummelsee im Schwarzwald.
Von 8:30 Uhr am Morgen bis 19:30 Uhr legen hier jede halbe Stunde Elektroboote ab, welche die Besucher zu P2 bringen. Die einmalige Überfahrt über den rund 2 km langen See ist im Ticketpreis eingeschlossen und dauert etwa 20 Minuten. (Was die Bezeichnungen P1, P2 oder P3 bedeuten sollen, weiß ich bis heute noch nicht).
Die Fahrt wollen wir jetzt natürlich auch machen, aber – obwohl derzeit nicht Hochsaison ist – stehen am Ableger gefühlt mehrere Hundert Leute an. Da werden wir mit dem 11:00-Uhr-Boot wohl nicht mehr mitkommen.
Schritt für Schritt schieben wir uns vor und wenn’s mit dem 11:00-Uhr-Boot nicht klappt, nehmen wir eben das um 11:30 Uhr oder das um 12:00 Uhr.
Aber weit gefehlt! Auf so ein Boot passen hundert Leute und als das erste Boot voll ist, steht schon das zweite da, in das wir dann, nachdem unsere Eintrittskarte kontrolliert wurde – auch um 11:00! – einsteigen dürfen.
Die Schiffe sind seitlich offen und die Elektromotoren so leise, dass man die Aussicht auf den See und die Ruhe in vollen Zügen genießen kann.
Ein besonderer Hingucker mitten im See ist die 275 m lange, 60 m breite und 9,5 m hohe Stefanie-Insel.
Fataler Irrtum am P2
Kurz vor halb zwölf kommen wir am P2 an. Für hundert Leute, die aus dem Boot drängen, sind die schmalen Holzstege dort meines Erachtens gar nicht ausgelegt. Links rüber, am Wasser entlang, staut sich eine Mehrere-Hundert-Leute-Schlange. Geradeaus die Treppen hoch ist es etwas luftiger, also gehen wir diesen Weg, der sich am oberen Ende der Treppe gabelt.
Da nur der rechte Weg beschildert ist und wir annehmen, dass der linke irgendwo ins Nirgendwo führt, nehmen wir den rechten. Auf Holzbohlen geht es weiter nach oben. Von hier aus hat man einen fantastischen Blick auf einen Wasserfall und den größten Plitvicer See, den Kozjak jezero, auf dem wir vorhin Boot gefahren sind.
Gradinsko jezero
Gegen Dreiviertel zwölf – eigentlich wollten wir um diese Zeit am P1 sein – sind wir am Gradinsko jezero. Im Gegensatz zu den stürzenden Wassern an den Unteren Seen ist es hier unglaublich still. Lediglich der Gesang einiger Vögel unterbricht und unterstreicht die Stille. Der Name „Gradinsko“ leitet sich vom Kroatischen Wort „gradina“ ab, was „Burg“ bedeutet. Vielleicht gab es früher hier ja wirklich eine?
Wir entfernen uns immer mehr vom P2 (und der dortigen Überfahrtsmöglichkeit zu P1).
Inzwischen wird der Waldweg auch ganz schön wurzelig, dennoch laufen wir weiter und weiter und weiter – gefühlt bereits 3 km, aber wenn wir auf die Uhr schauen, sind es seit P2 erst 15 Minuten.
Um zehn vor zwölf haben wir das ganze etwa 700 m lange Nordufer des Gradinsko jezero komplett abgelaufen und auch das Westufer, bei dem es dann wieder einige Holzbohlenstufen hochgeht. So ist es ein ewiges Rauf und – nein, runter geht es eigentlich kaum noch.
Veliki Prštavac
Mitunter sind die Holzbohlenwege und Brückchen derart kriminell und schmal, dass sie die Menschenmassen – und jetzt ist nicht (!) Hochsaison – kaum verschaffen können. Alles wackelt und schwankt. Susanne und ich müssen uns gegenseitig bei den Händen halten, um nicht ins Wasser zu fallen. „So sollen schon Brücken eingestürzt sein, wenn nur genügend Beteiligte gleichzeitig darüber marschieren.“
Ein Malheur „apokalyptischen Ausmaßes“ ist mir eben hier auch schon passiert. Nur zu gut erinnere mich an den 7. September 2015, nachmittags 14:41 Uhr. Auch da bin ich innerhalb „Tausender Touristen“ über einen der schwankenden Stege gegangen. Sei es, weil es so gewackelt hat, weil ich schusselig oder einfach, weil ich nur abgekämpft war, habe ich damals beim Objektivwechsel mein 1000€-Canon EF 24-105 mm 1:4,0 L IS USM im Mali Prštavac versenkt. Das war ein teurer Urlaub, aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls sind wir jetzt – ohne materielle Einbußen und der Masse im Gänsemarsch folgend – um fünf nach zwölf am Veliki Prštavac.
Auch wenn dieser mit 28 m Höhe der zweithöchste Wasserfall des Parks ist, beeindruckt uns dieser zwischen Galovac und Gradinsko jezero liegende Wasserfall weit weniger, als das die – wenn auch kleineren – Wasserfälle und Stromschnellen an den Unteren Seen taten. Vielleicht liegt das ja auch daran, dass es so gar keinen Spaß macht, im „Hundert-Mann-Touristen-Pulk“ rumzuhängen. Apropos „rumhängen“, hier am Galovac sollte Fred Engel im Film „Der Schatz im Silbersee“ übrigens auch hängen.
Vom Galovac zum Rastplatz St3
Die nördliche Grenze des Galovac bilden die beeindruckenden, von niedrigen Laubbäumen und Büschen bewachsenen Dolomitfelsen. Das Bild unten links habe ich irgendwo hier gemacht. Welcher Wasserfall das ist, kann ich aber beim besten Willen nicht sagen. Nur eins kann ich sagen, dass es nämlich mitten am Nordufer des Galovac, an der Westseite eine kleine Halbinsel gibt, wo es steil bergauf geht, und genau hier hat man eine tolle Aussicht auf den von Wald umgebenen See mit ein paar kleineren Wasserfällen.
Da es hier leider keinerlei Wegweiser oder Informationstafeln gibt, muss ich schätzen. Der See könnte der Malo jezero, der Jezero Vir oder der Veliko jezero sein, aber – wie heißt es so schön? – was Genaues weiß man nicht. (Auf Anfrage hat mir die Nationalparkverwaltung dann am 27.7.2023 mitgeteilt, dass der See – ganz anders, als ich vermutete – der Galovac sei, die Wasserfälle selbst aber keine eigenen Namen hätten.)
Innerhalb des unübersichtlichen Irrweges aus kleinen und kleinsten Pfaden, wo jeder Wasserfall und jede Stromschnelle ähnlich, dann aber doch wieder anders aussieht, wissen wir nun endlich wieder sicher, wo wir sind: nämlich an der Nordwestecke des Malo jezero und zwar genau hier, wo links der Weg zum St3 abgeht. Bei St3 gibt es nicht nur ein WC und Sitzplätze, um auszuruhen, nein, dort fährt auch die Parkbahn zum St1 und damit zum Ausgang ab. Die orientierungslose Lauferei der letzten 1½ Stunden kommt damit endlich zu einem Ende.
Um 13:21 Uhr sind wir dann endlich an der Haltestelle St3 der Parkbahn. 7,2 km sind wir inzwischen unterwegs und 4½ Stunden seit wir den Park betreten haben. Dabei sind wir 248 m den Berg rauf und 145 m den Berg runter gelaufen. Gut, 1,8 km davon waren Bootsfahrt, aber so war die Tour durch die Plitvicer Seen nie und nimmer geplant.
Wir setzen uns hin, schütten den Inhalt unserer Wasserflaschen in uns rein und essen unsere Rest-Cheese-Sandwiches. Dennoch sind wir glücklich. Wir haben es geschafft! Nun müssen wir nur noch mit der Parkbahn zurück nach St 1 fahren, dann „ist der Fisch geputzt“. Viel passieren kann da wohl nicht mehr.
Rückfahrt mit der Parkbahn
Für den Rückweg nehmen wir also die im Eintrittspreis ebenfalls inbegriffene Parkbahn. Die Fahrt durch den Wald – von den Seen sieht man leider kaum etwas – zieht sich. Eine halbe Stunde dauert es bis St2. Dort heißt es dann: „Alle aussteigen!“
„Wir wollen aber zu St1“, sagen nicht nur wir. „Das können Sie knicken!“, ist die lapidare Antwort. „Die Straße, auf der die Parkbahn normalerweise fährt, wird derzeit asphaltiert, sie müssen zum Eingang 1 also laufen.“ Hör ich recht? Das sind ja noch mal drei Kilometer, wir haben doch schon 5½ hinter uns! Aber es hilft alles nichts, da müssen wir wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und am Kozjak und den unteren Seen entlang zurücklaufen. So tragisch ist das nun auch wieder nicht, denn die meiste Zeit geht’s bergab oder eben, dennoch, weitere 3,1 km sind – nachdem wir ursprünglich nur 2½ km bis zum P3 machen wollten – einfach viel.
Als das alles noch nicht reicht, sagt uns eine freundliche Mitarbeiterin im Bistro Kupaliste: „Der Fußweg an den Seen entlang ist wegen Überflutung gesperrt.“ Na dann. Wir gehen dem Pulk der anderen Gäste mehr oder weniger verärgert hinterher. Hätte man das nicht am Eingang kommunizieren können, dass die Parkbahn-Strecke zwischen St1 und St2 nicht bedient wird? „Haben die doch bei St3“, sagt Susanne, aber das will ich nicht hören.
Wie der Mann aus der Sechzigerjahr-ARAL-Werbung walken wir, aber der Fats-Domino-Text „I’m walkin‘, yes indeed and I’m talkin‘ about you and me …“ will uns nicht so recht über die Lippen kommen.
Um zehn nach zwei sind wir in Höhe des Hotels Plitvice, um fünf nach halb drei auf der dem P3 gegenüberliegenden Seite des Kozjak, aber immer noch lange nicht am Eingang. Am Café Rapajinka denken wir, weil dort Hütten stehen, die Straße breiter wird und sogar zur D1 rausführt, wir hätten’s geschafft, aber Pustekuchen! Bis zum Eingang 1 sind’s dann noch mal 15 Minuten.
Endlich geschafft
Um 15:10 Uhr haben wir’s dann aber endlich doch noch geschafft. Es war sehr, sehr anstrengend, aber auch irgendwie grandios. Die Kraft der Wasserfälle, die sich mit donnerndem Getöse in die Tiefe stürzten, hatten etwas Magisches, die nassen, rutschigen Bohlenstege – meist ohne Geländer – waren abenteuerlich und hätten vom deutschen TÜV nie eine Zulassung bekommen. Dennoch, es war herrlich und wir möchten diese sechs Stunden im Nationalpark Plitvicer Seen auf keinen Fall missen.
Am Parkautomaten zahl‘ ich 9.10 € und als ich an die Schranke fahren und die Parkkarte irgendwo einstecken möchte, geht die Schranke wie von Geisterhand von ganz alleine auf. Haben die doch tatsächlich mein Autokennzeichen aufgenommen und (zumindest) bis zur Ausfahrt gespeichert.
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