Mittwoch, 30.5.2012 – Rückfahrt nach Sanremo
Nur noch eins: Raus und Richtung Bahnhof
15:25 Uhr. Endlich draußen aus´m Marineland. Um 15:29 Uhr fährt der Zug nach Ventimiglia. Das schaff ich nicht mehr. Muss ich halt ´ne Stunde warten. Ich könnt ja die Zeit nutzen und am Kiosk an der Avenue Mozart noch ´n Sandwich essen, aber 6 € für so ein lappriges Ciabatta, das noch nicht mal ein richtiges Sandwich ist, sind mir als sparsamem Schwaben dann einfach doch zu viel.
Heut scheint ohnehin nicht mein Tag zu sein. Da hilft dann nur noch der Spruch, den meine Kollegen schon gar nicht mehr hören können, nämlich der, dass „„Wer einmal mit dem Zelt in der Serengeti war, den kann nichts mehr erschüttern.“ Also reiß dich zusammen, Rüdiger. Ich könnte den Spruch eigentlich auch noch ergänzen: „Auch wer am Dienstag auf der Delfin-Tour zig freilebende Delfine sah, den bringt auch nichts mehr so leicht aus der Ruhe.“ Na also, geht doch! Ich hab alle Zeit der Welt.
Bahnhof Biot – eine einzige Baustelle
15:36 lauf ich am Bahnhof in Biot ein. Der Weg zum Gleis nach Italien ist die reinste Odyssee. Zuerst mal muss man durch einen Fußgängertunnel, anschließend das Treppele hoch, dann den ganzen Bahnsteig entlang Richtung Antibes, am Ende wieder ein Treppele runter, durch einen provisorischen Durchgang durch, Treppele hoch, dann…
Mensch, das gibt´s doch nicht! Genau in diesem Augenblick fährt ein Zug nach Ventimiglia ein! Vielleicht schaff ich´s ja doch noch! Rennen, Rüdiger, rennen! Ne, das reicht nicht mehr, die Türen piepen schon und die Trillerpfeife hat auch schon getrillert. Das Adrenalin schuppst mich in den Zug, die zugehenden Türen verhindern das rückwärtige Rausfallen. Mann, war das knapp! Ich bin nur noch am Keuchen. Zum Ticket abstempeln hatte ich jetzt einfach keine Zeit mehr. Um keinen Ärger zu bekommen, such ich gleich nach dem „Conducteur“, der mir dann – unter dem Einfluss meines in Englisch gehaltenen Wortschwalls (französisch kann ich ja leider nicht) – ganz problemlos mein Ticket abstempelt.
Ich hab meine Gedanken noch nicht richtig sortiert, da sind wir schon Villeneuve Loubet. Übrigens, den Satz „Je tiens à Vintimille“ (Mühsam ohne Französischkenntnisse einstudiert) hätt´ich mir sparen können. Der nützt dir in Biot nämlich gar nichts. Außer Bahnsteig und Baustelle ist dort nämlich nichts. Wie gut, das sich meine Rückfahrkarte schon heut früh in Ventimiglia gekauft hab und wusste, dass in Frankreich die Züge links fahren!
Mann, ist der Rucksack schwer. Die 150 Prospekte haben ein ganz schönes Gewicht. Endlich hab ich einen leeren Sitzplatz. Über 500 Aufnahmen hab ich in Antibes gemacht. Mit dem großen 100-400 IL USM dran hat mich das ´nen ganzen Akku gekostet. Macht aber nichts, ich hab ja genügend dabei und die neuen LP-E8 halten eh entschieden länger als seinerzeit die BP-511-Akkus, die in noch in Afrika hatte und wo ich immer Angst haben musste, dass ich nicht mehr fotografieren kann. In Ruhe „blätter“ ich die Bilder durch. Das macht auf dem 3-Zoll-Display der 600D auch richtig Spaß. Da sieht man wenigstens was.
Ventimiglia
16:45 Uhr. Hey, wir sind ja schon kurz vor Ventimiglia. Die Fahrt verlief ja unheimlich schnell. Noch schnell meinen Kram zusammenpacken und 10 Minuten später bin ich schon in der Via della Stazione runter Richtung Via Cavour.
Ich bin ein bisschen zerrissen. Einesteils möchte ich möglichst bald in Sanremo sein, andererseits möchte ich für Silvia auch noch ein paar Blumen kaufen und drittens hab ich Kohldampf wie ein Stier. Durch Zufall finde ich, nachdem ich durch den Markt durchgegangen bin (hier gab´s leider keine Blumen) in der Via Roma 16D die „Flo´ Bar“, wo mit „La tua pausa pranzo … … tutte leore Flo Bar“, was in etwa so viel heißt wie „Have a break, have a …“ (nee, nicht Kitkat!) für Pizza geworben wird. Auf alle Fälle ist neben dem Spruch ´ne Pizza abgebildet, und so ist Sanremo urplötzlich vergessen.
Mann, bin ich fertig. Jetzt, wo ich sitze, merk ich das erst! Ich bestell mir, ohne zu wissen, was auf mich zukommt, das „Menu giornaliero“. Keine zwei Minuten später bringt mir die Bedienung auf einem kleinen Tellerchen geröstetes Brot, welches ich heißhungrig in mich reinstopfe und dazu ein leckeres Becks. Das zischt so richtig. Aber hey, was ist das denn. Laufen doch tatsächlich zwei bewaffnete Polizisten, einen Typen eskortierend, der sehr ertappt aussieht, mitten durch die auf dem Gehweg stehenden Tische direkt an meinem Bier vorbei. Hoffentlich machen die jetzt nicht was Blödes.
Das „Menu giornaliero“ stellt sich als eine recht spinatig aussehende Pizza dar. So was habe ich noch nie gesehen. Als ich nachfrage, erklärt mir Juliana (die Besitzerin?), dass das eine Pizza mit Pesto und Patata (Kartoffeln) sei. Wie immer habe ich bei meinen ahnungslos ausgewählten Gerichten wieder voll ins Schwarze getroffen. Wie vor einem Jahr in Hamburg, da hatte ich auch so einen Glücktreffer, als ich „Bohnen, Birnen und Speck“ bestellt hatte. Die 3-P-Pizza (Pesto-Patata-Pizza) passt sowas von hervorragend rein! Einfach nur klasse.
Richtung Sanremo
Hab leider keine Blumen mehr gefunden. Dafür aber ´ne Bushaltestelle, und sogar eine, bei der Busse Richtung Sanremo abfahren. Auch ´nen Fahrplan gibt´s! Wenn’s stimmt, was da draufsteht, fährt der Bus alle 10 Minuten. Demnach müsste 41 einer kommen. Es ist 41, ja sogar schon 45, aber nichts von irgendeinem Bus. Nun ja, Italien eben! Mit den Temperaturen haben sie’s hier auch nicht so genau. Eine Thermometer zeigt 19°C, das andere am Haus nebenan 24°C… Wie ich so drüber nachgrüble, ob´s auch ein italienisches „Hakuna Matata“ gibt, kommt der Bus dann auch schon! Super, das passt total!
18:00 Uhr. Auf der Via Cavourso Richtung Sanremo ist mächtig Stau. Im Corso Genova, wie die SP 1 im weiteren Verlauf heißt, ist´s keinen Deut besser. Ein Auto am anderen, Stoßstange an Stoßstange. Die Autos von den Seitenstraßen rechts und links kommen gleich gar nicht rein. Bin gespannt, wie lange der Bus unter diesen Bedingungen bis Sanremo braucht.
Ospedaletti
So schlimm war´s gar nicht. Es ist jetzt kurz vor halb sieben und wir sind eben in Ospedaletti an dem Delfin-Brunnen vorbeigefahren, den ich heure früh bei der Herfahrt sah. Ich muss unbedingt aussteigen. Also Knöpfchen drücken, zur Tür gehen und warten. Wie weit will der denn noch fahren? Warum hält der nicht? Endlich! Ich steig´aus, doch bis zum Brunnen muss ich noch einiges zurücklaufen. Aber was tut man nicht alles für seine Delfin-Frau zu Hause? Der Brunnen steht direkt am Corso Marconi am Abzweig der Via 20 Settembre/Largo Ramelli. Was der Delfin allerdings mit Ramelli zu tun hat, weiß ich nicht, ich werd´s wahrscheinlich auch nie erfahren.
Ach ja, hab ich eigentlich schon erwähnt, dass das Marineland 38 € gekostet hat? Dazu 2 mal 8,30 für den Zug und 2 mal 2,50 für den Bus, macht zusammen 59,60 €. Dafür kann man fast zweimal mit der Corsara ausfahren (32 € eine Tour) und da hat dann wirklich Natur pur, Abenteuer und nicht diesen ekelhaften Kommerz.
Weiter nach Sanremo
Nachdem ich das Foto vom Delfinbrunnen geschossen hab, bin ich jetzt unterwegs in der Via Cesaere Battiste Richtung Sanremo. Rechts sind ein paar Stände mit Büchern und anderen Flohmarkt-Artikeln, dabei bräuchte ich eigentlich nur noch ein paar Blümchen für Silvia. Aber nichts! Nach dem Fiasko Marineland bin ich heute aber auch mit gar nichts zufrieden. Jetzt besorgt mir das Schicksal sogar noch einen indischen Rosenverkäufer, der hier des Weges kommt, aber dunkelrote Rosen sind sicher auch nicht das Geeignete.
Der Weg zieht sich ins Unendliche. Am Ortschild Sanremo bin ich schon lange vorbeigekommen, aber von Sanremo selbst bzw. dem Campingplatz ist weit und breit noch nichts zu sehen. Jetzt endlich ein Schild. Noch 1 km bis zum Villagio dei Fiori. Puh, das kam mir heute früh, als ich im Bus saß, nicht so weit vor.
Vor 4 Minuten stand „noch 50m“. Ich brauch doch keine 4 Minuten für 50 m. Ich hab eher den Verdacht, da hat der Schilderaufsteller wohl ein bisschen Optimismus verbreiten wollen mit seinem „Noch 50 m“-Schild. 19:12 Uhr. Endlich komm´ ich an. Unendlich lange 50 Minuten nachdem ich in Ospedaletti den Brunnen fotografiert habe.
Abend im Villagio dei Fiori
Ich bring´ Silvia noch kurz ihre Prospekte, dann geh ich in mein Häuschen. Ich bin so was von platt, dass ich erst mal duschen muss und mich hinlegen. Gegen 21:00 Uhr geh ich dann nochmal raus. Es ist ein wunderbar milder Sommerabend, der letzte! Morgen geht´s ja schon wieder zurück nach Deutschland.
Es war toll hier: Vorgestern das Abenteuer mit dem nicht mehr weiterfahrenden Zug und dann Silvias Freundschaftsdient. Gestern tagsüber die geniale Whalewatching-Tour und abends Silvias gelungene Überraschung. Heute Marineland, wo ich jetzt sicher weiß, dass ich nie mehr hingehen werde und morgen dann das Aquarium in Genua. Ich freu mich schon drauf und ich freu mich, dass ich hier mit Silvia eine wundervolle Freundin habe, für die Gastfreundschaft wohl das Höchste ist, was es überhaupt geben kann.
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