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Züge, Zoos und Zärtlichkeit 4

Mittwoch, 14. August 2019

Fahrt in den Harz


Kurz vor 7:00 Uhr geht´s los. Es ist sonnig aber vergleichsweise kalt. Die A7 ist nach Norden sogar relativ frei, sodass wir gut vorankommen. Auch die Toilettenanlage bei Schwalenberg (ca. 20 km westlich von Goslar) ist für Rastplatzverhältnisse sogar relativ sauber. Was ist da heute hier los?

Wir fahren noch rund 10 km weiter nach Norden und dann bei Rhüden/Harz ab auf die B82. Noch ist alles super, aber nicht mehr lange, denn 5 Minuten später ist Schluss. Die Straße Richtung Goslar ist gesperrt und wir werden umgeleitet in Dörfer, von denen ich in meinem Leben noch nie etwas gehört habe, Könneckenrode ist so eines. Hier sagen sich „Fuchs und Hase Gute Nacht“. Etwas Schönes allerdings hat die Route auch: Wir fahren durch wunderschöne Landschaften, in denen immer wieder in kleinen Gruppen Sonnenblumen stehen. Im CD-Player läuft Johnny Cash, eine ideale Musik, wenn man Landstraßen fährt. Der stampfende Klang seiner Rhythmusgitarre, der dadurch zustande kam, dass er oft (wie auch in diesem Video) ein Blatt Papier hinter die Saiten klemmte, gibt mir ein Gefühl, als ob ich mit einem Caprio die Route 66 befahre, dabei sitze ich nur in einem kleinen Fiat Panda und fahre auf der B248.

Inzwischen ist es 9:15 Uhr und wir sind schon lange von der B248 weg und nun auf der A36. Dort kommen wir zwischen Lochtum und Abbenrode an einem Schild vorbei, das uns sagt, dass wir jetzt in Sachsen-Anhalt sind. 3 oder 4 Minuten später erreichen wir die PWC-Anlage (Amtliche Bezeichnung für einen Parkplatz mit Klo) „Brockenblick“, von wo aus man einen besonders guten Blick auf den Brocken haben soll. Leider sind die Büsche und Sträucher hier so dicht und hoch, dass man den Brocken von hier, trotz des Namens, eben doch nicht sehen kann.

Etwas später, kurz vor Wernigerode sehen wir den Brocken dann aber doch. Das Wetter ist super und man sieht sogar die Sendeanlagen, das Brockenhaus und die Wetterstation.

Brockenbahn


Wernigerode Parkplatz

Inzwischen sind wir in Wernigerode. Wir parken am Parkplatz „Marktstraße“ und gehen zu Fuß die Johann-Sebastian-Bach-Straße und die Straße Unter den Zindeln runter zum Bahnhof Wernigerode Westerntor. Das dauert gerade mal 10 Minuten.

Wernigerode Westerntor

Hier liegt auch das Bahnbetriebswerk der Harzer Schmalspurbahnen. Alle Lokomotiven und Waggons der Harzer Schmalspurbahnen sind hier beheimatet. Ich mache ein paar erste Aufnahmen vom Bahngelände und auch vom Bahnhof.

Unterhalb der Bahnhofsuhr sehe ich, dass um 10:29 Uhr, also in 17 Minuten ein Zug fahren soll, zwar nicht die historische Dampflok, wegen der ich hergekommen bin, sondern ein „normaler“ Dampfzug. Rechts, in einer Vitrine hinter dem Dienstraum, ist angeblich ein Modell des Bahnhofs Westerntor ausgestellt. Ähnlichkeiten erkenne ich allerdings nicht.

Die Brockenbahn – Abzocke im großen Stil

Die Brockenbahn hat, außer dass sie touristisch genutzt wird, eigentlich keine Bedeutung. Auf der ca. 32 km langen Strecke von Westerntor bis zum Brocken müssen die Züge 887 Höhenmeter überwinden (von 238 m bis 1125 m). Die Fahrt kostet hin und zurück 45 €. Dabei ist es egal, wo man einsteigt. Die 45 € sind in jedem Fall fällig, auch wenn man nur einen Teil der Strecke fährt. Ein Pärchen sollte für seinen Retriever gar 27 € zahlen, dass dieser auch im Zug mitfahren fahren darf. Nach dem Pärchen kommen zwei Erwachsene und ein Kind. Auch sie wollen auf den Brocken (und natürlich zurück). „117 €“. Dem Vater ist das Gesicht runtergefallen. Drei Karten in Rust kosten mit 148,50 € nur unwesentlich mehr. Der unverschämte Preis ist bei allen, die ich im Bahnhofsbereich antreffe, das Thema. Trotzdem finden sich immer noch genügend (mir fehlen die Worte), die das – obwohl sie fluchen – mitmachen und zähneknirschend zahlen. So geht das Kunde um Kunde im Fahrkartenverkauf. Dabei hat man noch nicht mal Anspruch auf einen Sitzplatz. Werktags muss man das lange im Voraus buchen, was dann nochmal mit je 1,50 € zu Buche schlägt, feiertags ist eine Sitzplatzreservierung gar nicht möglich. Zitat: „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass an Feiertagen keine Sitzplatzreservierungen möglich sind.“ Ich sage jetzt nicht, was ich denke … Das haben bereits andere für mich getan. Hier ein paar Beurteilungen aus den letzten Jahren bei Holiday-Check: Abzocke Brockenbahn / Nie wieder / Brockenbahn Touristenabzocke / Wucher / Schöne Fahrt, aber unfreundliches Personal / Geldverschwendung / Einziges Desaster.

Aus diesem Grund – weil ich Abzocke nicht unterstütze – werde ich – auch wenn ich Eisenbahnen liebe und insbesondere Dampfloks – hier auch auf keinen Fall mitfahren. Ich habe vielmehr vor, die Züge auf der Strecke zu sehen und zu fotografieren. Da die historische 99 5906-5 nur 30 km/h fahren kann und in den Bahnhöfen Drei Annen/Hohne 15 und in Schierke 30 Minuten Aufenthalt hat, habe ich große Hoffnung, selbst mit dem Panda auf jeden Fall schneller zu sein, sodass wir unterwegs sicher ein paar Aufnahmen machen können.

Ich bin zwar am Grübeln, ob wir das schaffen können, Zug um 10:29 Uhr fotografieren, zurück zum Auto und dann wieder hierher, bevor an der Kreuzung Friedrichstraße/Salzbergstraße die Schranken runtergehen und – wie wir vorher gesehen haben – auf der Johann-Sebastian-Bach-Straße einen Stau bis rüber zum Parkplatz auslösen, trotzdem riskieren wir´s.

Der Zug 8925 kommt pünktlich. Er ist mit einer Lok aus dem Jahr 1957 bespannt, der 99 7247-2. Die Lok fährt vor- und rückwärts maximal 40 km/h. Natürlich sind wir mächtig am Fotografieren.

Der „normale Zug“ ist durch. Jetzt aber los. Wir hetzen zum Parkplatz, zahlen – ich glaube – 2 €. Um 10:46 Uhr – Oh, oh, das wird knapp – hat der Panda – ausnahmsweise mal – einen anderen Fahrer: Susanne fährt. Ich muss ja kamerabewaffnet auf dem Beifahrersitz sitzen und bei Bedarf möglichst schnell aussteigen können. Noch ist kein Stau in der Johann-Sebastian-Bach-Straße. 10:51 Uhr – jetzt müsste eigentlich der Zug gekommen sein – überqueren wir die Friedrichstraße-Salzbergstraße-Kreuzung. Geschafft! Unmöglich, dass der Zug schon durch ist, dann hätten wir nämlich einen Stau haben müssen.

Kreuzung Friedrichstraße-Salzbergstraße

Susanne stellt das Auto in der Friedrichstraße – 100 m nach der Friedrichstraße-Salzbergstraße-Kreuzung – genau gegenüber des Denkmals für Friedrich den Großen ab. Ich renne auf die andere Straßenseite und warte. In dem Moment werden die Ampeln rot und Augenblicke später fährt Zug 8991 mit der 1918 gebauten Mallet-Lok 99 5906-5 bei der Lounge Malzmühle an mir vorbei. Ich schieß 5 bis 8 Fotos.

Jetzt aber flugs auf die andere Straßenseite, bevor die angestauten Autos anfahren. Ob wir den Bahnübergang in der Kirchstraße in 1,3 km noch schaffen, ist fraglich, weil hier überall 30 km/h ist und wir nicht schneller können. Wir schaffen es gerade noch allerdings im Gegenlicht und keiner Zeit mehr, die Kamera richtig einzustellen. Dennoch ist das Bild brauchbar. Den Bahnübergang Friedrichstraße/Burgmühlenstraße in 1,4 Kilometern werden wir wohl knicken können. Dazu nimmt uns das Wenden in der Kirchstraße und das Linksabbiegen in die Friedrichstraße viel zu viel Zeit weg.

Kirchstraße / Ecke Friedrich-/Burgmühlenstraße

Wir haben den Bahnübergang, 3,3 km nach Westerntor, doch noch erreicht, aber für ein vernünftiges Foto reicht die Zeit nicht mehr. Ich muss, um den Zug doch noch zu erhaschen, durch die spiegelnde Windschutzscheibe fotografieren. Ein fotografisches Unding! Ein bisschen enttäuscht fahren wir weiter ins Drängetal, wo wir hoffen, den Zug irgendwo überholen zu können. Auch sieht es auf der Karte so aus, dass man den Zug während der ganzen Strecke rechter Hand sehen müsste. Aber die Karte täuscht. Wir sehen nichts mehr vom Zug.

Bahnübergang bei Drei Annen Hohne

Mit dem Auto kann man weder zum Bahnhof Steinerne Renne noch zum Thumkuhlenkopftunnel kommen. Die nächste Möglichkeit, an der wir den Zug eventuell noch sehen könnten, ist der Bahnübergang über die L 100 unmittelbar in der Nähe des Hotels „3 Annen“. Dieses liegt 1½ km vor dem Bahnhof Drei Annen Hohne.

Im Bahnhof Drei Annen Hohne müsste der Zug planmäßig so um 11:30 Uhr ankommen. Insofern haben wir hier jetzt einen klasse Fotografier-Ort und auch noch massig Zeit. Jetzt ist es 11:12 Uhr. Wir müssen den Zug also irgendwo auf der Strecke überholt haben, auch wenn wir ihn zu keiner Zeit sahen.

15 bis 16 Minuten noch. Zeit, die wir nutzen können, sogar noch Brombeeren pflücken – den Blick natürlich immer Richtung Bahnübergang, schließlich wollen wir ja nichts verpassen Die Schranken senken sich. 11:16 Uhr. Das ist doch viel zu früh! Oder habe ich mich verrechnet?

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie wir erschrocken sind, als plötzlich der Triebwagen 187 019-5 (Zug 8902) von hinten kommt. Auf der eingleisigen Strecke hätten wir den niemals erwartet! Infolgedessen ist die Aufnahme am Bahnübergang (die zweite Kamera war für die Brombeeren-Aufnahme am dunklen Waldboden noch auf 1/40s eingestellt) in Teilen leider unscharf geworden.

11:32 Uhr. Die Schranken schließen sich und dann höre ich die 99 5906-5 auch schon schnaufen. 300 von 887 Höhenmetern hat sie bis hierhin schon geschafft. Es dauert keine 30 Sekunden von dem Moment an, in dem ich im Wald erstmals die Rauchfahne sah, bis zu dem Moment, wo der letzte Wagen auf der anderen Seite wieder im Wald verschwunden ist.

Bahnhof Drei Annen Hohne

Die Fahrt bis zum Bahnhof Drei Annen Hohne dauert gerade mal 1 Minute. In Ermangelung anderer Parkmöglichkeiten stellen wir uns auf den Mitarbeiter-Parkplatz des Bahnhofs. Da dieser seit 1963 nicht mehr in Betrieb ist und vor sich hingammelt, wird wohl auch niemand kommen, der mir ein Knöllchen verpasst.

Drei Annen/Hohne ist der eigentliche Beginn der Brockenbahn. Bis hierhin gehört die Strecke eigentlich noch zur Harz-Querbahn. Für mich gehört das aber alles zusammen.

Hier hat der Zug – weil er einen Gegenzug durchlassen muss – 15 Minuten Aufenthalt. Wir gehen auf dem Mittelbahnsteig, von wo aus man das Geschehen noch viel besser beobachten kann als vom Hausbahnsteig aus. Hier in Drei Annen Hohne wird die Lok fit gemacht für den Anstieg auf den Brocken. Der Wasserkran ist bereits über die Wasserkästen der Lok geschwenkt. Alles, Bremsen und Schmierung werden vom Lokomotivführer nochmal gecheckt.

Alle, aber auch wirklich alle, machen das obligatorische Ich-war-auch-da-Foto vor der Lok.

Dann kommt Gegenzug 8940, der offenbar in Drei Annen endet.

Schierke – Abzocke im noch größeren Stil

Anschließend fahren wir nach Schierke, wo der Zug planmäßig um 11:58 Uhr ankommen und dann um 12.30 Uhr weiterfahren soll. Bis Schierke selbst, bzw. bis zum Parkplatz „Am Thälchen“ sind es gerade mal 5½ km. Wir müssten also rechtzeitig da sein. Leider habe ich mich am Ortseingang von Schierke verfahren und bin links die Alte Dorfstraße runter, anstatt geradeaus zu fahren. So musste ich bis zum Parkplatz „Am Thälchen“ praktisch um ganz Schierke herum 4½ km Umweg fahren. Nichtsdestotrotz sind wir schon 12:05 Uhr am Bahnhof. Der Zug ist planmäßig zwar schon vor sieben Minuten im Bahnhof Schierke angekommen, aber dort bleibt er ja noch bis um halb. Allerdings ist der Bahnhof selbst vom Parkplatz rund 1 km weg. Das irritiert mich etwas.

Was weiter irritiert, ist die Tatsache, dass man an diesem Parkplatz – egal, wie lang man parken möchte – nur ein Tagesticket für 8 € lösen kann und das auch nur, wenn man zusätzlich ein Ticket der Brockenbahn hat, das, wie schon erwähnt, 45 € kostet. Für mich ist das Abzocke pur! Hat man nämlich aus Versehen ein Parkticket an der Sommerrodelbahn gelöst, ist man Falschparker und darf dann zusätzlich auch noch 20 € „Vertragsstrafe zahlen“. Wenn das nicht gewollte Geldmacherei ist, dann weiß ich auch nicht mehr.

Sicher, man hätte auch im Parkhaus „Am Winterbergtor“ parken können. Dort kostet jede angefangene Stunde 1,00 €. die Tagesgebühr max. 8,00 € . Von dort sind´s bis zum Parkplatz „Am Thälchen“ rund 2 km, also 25 Minuten. Dann kommt noch der Weg hinzu, hoch zum Bahnhof.

Beides, sowohl das Parkhaus „Am Winterbergtor“ als auch der Parkplatz „Am Thälchen“ (Bewertung hier) sind für mich keine Alternativen. Ich stelle mein Auto auf einen der zwei Parkplätze „für Friedhofsbesucher“ und leg die Parkscheibe rein. Dann machen wir uns auf den Weg.

Der Fußweg zum Bahnhof Schierke ist für Gehbehinderte oder Eltern mit Kinderwagen aus meiner Sicht nicht machbar. Beim Fußweg handelt es sich um einen steilen, steinigen Waldweg (Steigung durchschnittlich 10%). Aus diesem Grund brauchten wir vom Parkplatz „Am Thälchen“ bis hoch zum Bahnhof ziemlich genau 30 Minuten. Anders sieht das offenbar Schierke Tourismus. Sie schreiben auf ihrer Seite betreffs des Parkplatzes „Am Thälchen“ „Der Bahnhof der Harzer Schmalspurbahn in Schierke ist fußläufig in ca. 20 Minuten zu erreichen“. Natürlich ist der Bahnhof auch in zwanzig Minuten zu erreichen – keine Frage – aber nur von durchtrainierten Spitzensportlern und nicht von Normalos. Das ist genauso, wie wenn jemand sagt: 100 m sind inzwischen in 9,58 Sekunden zu erreichen. Klar, aber nicht von der Allgemeinheit. Den Zug in Schierke haben wir natürlich nicht mehr gesehen.

Ich fühl mich von allem an und um die Harzer Brockenbahn irgendwie verarscht und nicht nur ich. Bei TripAdvisor fragt sich ein Kunde, ob die Preise nicht gar sittenwidrig seien. Ich jedenfalls bin mir sicher, dass ich hier nie wieder herkommen werde. Das geht oben am Bahnhof Schierke ja gleich weiter. Um das historische Toilettenhäuschen zu benutzen, wollen die Betreiber 1 €. Für mich Abzocke in allen Bereichen: 45 € Fahrt, 8 € Parken, Toiletten 1 € usw., usw. Sitzplatz im Zug exklusive.

Im Bahnhof wieder das Gleiche. Auch hier müssen die Touristen 45 € löhnen, wenn sie mit dem Zug die 14 km zum Brocken hoch und wieder runter fahren wollen. Manche beißen in den sauren Apfel – man ist ja nicht so oft hier – und sind dann bass erstaunt, dass …

… ja, dass dann nur eine Diesellok kommt. Die meisten Fahrgäste sind enttäuscht, sie sind nämlich wegen einer Dampflok gekommen. Aber auch die 199 861 – 6 ist aus Eisenbahnersicht etwas Besonderes. Ende des 20. Jahrhunderts hatte man den Plan, Die Dampflokomotiven am Harz durch Diesellokomotiven zu ersetzen. Einige V100 (BR 110) wurden daher von Regel- auf Meterspur umgebaut, was natürlich Einfluss auf deren Laufruhe hatte. Daher auch der Spitzname „Harzkamel“. Die 199 861 – 6 ist eine von sechs heute noch im Betrieb anzufindenden Maschinen.

Die Brockenbahn – Nichts wie weg

Uns reicht jetzt, was wir gesehen haben. Wir gehen enttäuscht und mit der Gewissheit, dass wir zum „Abzock-Hügel“, wie wir den Brocken in Zukunft nennen, hier nie wieder herkommen werden. Zum Glück steht das Auto noch da und wurde nicht abgeschleppt.

Um 13:26 Uhr steigen wir in unseren Panda. Ziel: Richtung weg von dem Nepp. Wie wir so runterfahren nach Wernigerode, müssen wir uns aber eins eingestehen. Es war irgendwie lustig, der Dampflok voraus oder hinterher zu fahren.

14 km nach Schierke – wir sind jetzt kurz vor Wernigerode in Hasserode, entdeckt Susanne links ein Restaurant, das uns alleine schon vom optischen Erscheinungsbild richtig anmacht, und bei dem noch Gäste auf der Terrasse sitzen, das „Casa Mia“. Dass wir genau da sind, wo ich heute Früh im krassen Gegenlicht das missglückte Foto von der Dampflok gemacht habe, merke ich erst zu Hause, als ich die Bilder sichte.

Casa Mia


Obwohl das Casa Mia gleich, d. h. um 14.30 Uhr Mittagspause macht, werden wir noch bedient. Susanne bestellt sich Bruschetta, ich mir eine Pizza Quattro Stagioni.

Während wir auf das Essen warten, schreibt Susanne noch die obligatorischen Postkarten, was bei unseren „Fährtle“ einfach ein Muss ist.

Das Essen ist superlecker und man kann das Casa Mia nur in höchsten Tönen loben und empfehlen.

Miniaturland Wernigerode


20 Minuten weiter, am Nordrand von Wernigerode, in einem Gelände, in dem 2006 die Landesgartenschau stattfand, liegt heute der Bürger- und Miniaturenpark Wernigerode. In einem vom Arbeitsamt geförderten Projekt entstanden an der Oskar-Kämmer-Schule-Wernigerode im Lauf von mehr als 12 Jahren rund 60 der bedeutendsten Gebäude des Harz im Miniaturformat, alle im Maßstab 1:25 und akribisch genau dargestellt. Ein Wahnsinns-Akt.

Als erstes sieht man links das Modell der Kaiserpfalz in Goslar, es folgen unzählige andere Gebäude aus allen Regionen des Harz. Hier nur einige Beispiele. Die Aufzählung ist bei Weitem nicht vollständig.

  • Goslar
    (u. a. Erzbergwerk Rammelsberg, Kaiserturm, Lohmühle, Rathaus, Siemenshaus, Stabkirche, Zwinger …)
  • Halberstadt – Vorharz
    (Dom, Martinikirche, Jagdschloss Spiegelsberge, die Bockwindmühlen aus Anderbeck und Danstedt …)
  • Oberharz – Westharz
    (Bahnhof Drei Annen Hohne, Schloss Herzberg, Kirchenruine Kloster Walkenried …)
  • Quedlinburg – Gernrode – Harzgerode – Südharz
    (Schlossberg, Rathaus, Kloppstockhaus, Burg Falkenstein, Josephskreuz Stolberg …)
  • Thale Blankenburg
    (u. a. Sessellift und Seilbahn Thale, Rathaus, Schloss …)
  • Wernigerode
    (Schloss, Rathaus, Westerntor, Kaiserturm …)

Dass ich all die Gebäude unmöglich alle hier im Bild zeigen kann, versteht sich von selbst.

Das höchste Gebäude ist die Brockenantenne mit etwa 5 Metern Höhe, das größte der Schlossberg in Quedlinburg mitsamt Stiftskirche mit einer Grundfläche von sieben mal sechs Metern.

Das ist doch ein Wahnsinn! (im positiven Sinne jetzt gemeint.) Allein für Erstellung des Schloss Wernigerode wurden – so ist zu lesen – 68.000 Arbeitsstunden benötigt. (d.h., dass ein einzelner Arbeiter bei einer 40-Stunden-Woche 40 Jahre, und bei einer 38-Stunden-Woche fast 43 Jahre! daran hätte arbeiten müssen.) Darüber denken wir aber gar nicht nach. Susanne ist total begeistert, dass man beides, Modell und Original mit einem Blick erhaschen kann.

Das Ganze ist eingebettet in eine liebevoll gestaltete Landschaft mit Bonsai-Bäumen, Bergen, Felsen und Bächen.

Der Harz wäre aber nicht komplett, gäbe es hier nicht – eigentlich mag ich sie ja gar nicht mehr erwähnen – die Brockenbahn und die anderen Schmalspurbahnen im Harz. Hier mussten die Modellbauer allerdings einen Kompromiss eingehen, denn kommerzielle Loks und Wagen gibt es nur in der Spurgröße IIm, und die ist im Maßstab 1.22,5 gehalten.

Wie im Original ist Drei Annen Hohne auch im Modell der Knotenpunkt der Strecken. Von hier aus fahren die 99er-Dampfloks hoch zum Miniatur-Brocken, wo sie umsetzen und dann wieder zurück. Am Bahnhof Wernigerode Westerntor verkehrt die umgebaute V100, am Halberstädter Dom die Straßenbahn usw., usw. An einer Stelle dann kann man zwei 80er-Dampfloks mittels Muskelkraft-Antrieb um die Wette fahren lassen.

Mit dem Besuch des Miniatur-Parks ist man noch lange nicht durch durch den Bürger Miniatur-Park. Der Bürgerpark mit den Harzblick-Wiesen und der Zaun-Wiese, dem Bürger-Wäldchen und dem Zauber-Wäldchen ist noch ungleich größer. Dafür fehlt uns aber leider die Zeit. Wir waren heute früh von dem Wenigen, das wir auf unserem Weg zum Bahnhof Wernigerode Westerntor von Wernigerode sahen, so begeistert, dass wir da unbedingt noch hin müssen, bevor wir wieder zurück nach Kassel fahren.

Wernigerode Altstadt


Wie heute früh stellen wir unser Auto wieder beim Parkplatz „Marktstraße“  ab und gehen zu Fuß in die Altstadt. Auf dem Weg dorthin kommen wir nach bereits 120 Metern am „Kleinsten Haus“ vorbei. Das „Kleinste Haus“ ist eines der bekanntesten Gebäude in Wernigerode. In dem gerade mal 2,95 m breiten Haus, in dem die Räume nicht höher als 1,90 m sein sollen und die Haustür in der Höhe lediglich 1,70 m misst, sollen zeitweilig bis zu 11 Personen gleichzeitig gewohnt haben. Das Haus war bis 1976 bewohnt, heute gehört das Denkmal der Stadt, die dort ein Museum betreibt.

Wir gehen weiter, die Markstraße runter Richtung Wohltäterbrunnen und dort links in die Breite und die Westernstraße bis zum Westerntor-Turm. Das ist so das Zentrum der Altstadt und mehr ist zeitlich einfach nicht drin. Dennoch sind wir von den Fachwerkhäusern allein hier in der Straße einfach nur noch begeistert. Kein Haus gleicht dem anderen, jedes ist individuell und doch ergibt alles zusammen etwas Einheitliches. Irgendwie vergleiche ich Wernigerode mit der idealisierten Fachwerk-Stadt auf einer Modellbahnanlage.

Besonders schnuckelig empfand ich unterwegs den Biergarten des Casa Vita. Da wär ich gerne rein, doch leider macht das Lokal aber erst um 17:00 Uhr auf.

Ein paar Meter weiter kommt das „Hotel zur Post“, ein typisches Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert. Was mich wundert, ist der Zimmerpreis. Obwohl das Hotel mitten im Zentrum des Geschehens liegt, kostet das Doppelzimmer hier „nur“ 105 €.

Ganz anders kommt mir das „Café am Markt“, am Ende der Markt-Straße daher. Dieses Café soll bereits seit 382 Jahren existieren und somit das älteste Familienunternehmen Sachsen-Anhalts sein. Weiter – und das war mir dann doch einen Tick zu dick aufgetragen – wollen sie das wohl beeindruckendste Angebot an Torten, Gebäck und Kuchen sowie Confiserieartikel weit und breit“ haben,  so zumindest stellt sich das Café auf seiner Website dar. 

Gleich gegenüber liegt das Rathaus. An dieser Stelle war ursprünglich ein Thing-, Richt- und Spielhaus, in dem Gerichtstage abgehalten wurden, aber auch Feiern, Feste und Theateraufführungen. Als Kolumbus gerade mal auf Dienstreise war, also 1492, wurde das Fachwerkgeschoss auf das alte Gebäude aufgesetzt und 1498 kamen die beiden Erker mit den schlanken Türmchen hinzu, die dem Rathaus somit einen ganz eigenen Stil verleihen.

Der Innenstadt-Bereich um die Breite Straße ist bumsvoll, sodass – so schön die Altstadt von Wernigerode auch ist – das Flanieren nicht so richtig Spaß macht. Wir gehen trotzdem noch vor bis zum Westerntor und dann wieder zurück, immer auf der Suche nach einen Café, wo wir uns noch eine „Sahneschnitte“ gönnen wollen.

Das Café Wien im östlichen Teil der Breite Straße sagt uns auf Anhieb zu. Es wurde 1583 gebaut und ist eines der wenigen Renaissancehäuser der Stadt. Seit 1897 befindet sich in diesem Haus ein Café, zunächst das Café das Konditors Wilhelm Hauer, weswegen es bei vielen auch heute noch das Hauersche Haus ist.

Seit nunmehr 93 Jahren betreibt die Familie Siegesmund das Café. Das ist bis heute so. Hier im Café Wien  trafen sich u. a. Lehrer und Schüler des nahe gelegenen „Fürstlich Stolbergischen Gymnasiums“ (heute Gerhard-Hauptmann-Gymnasiums), um sich von der anstrengenden Arbeit zu erholen. Vielleicht war´s genau dieses Flair, was uns unbewusst angezogen hat. Zu unserem Kaffee gibt´s – passend zur Sommersonne – noch einen superleckeren Erdbeerbecher mit Sahne. Einfach nur klasse!

17:00 Uhr, Zeit, dass wir aufbrechen. Immerhin sind´s bis Kassel auch wieder laut Navi rund 3 Stunden, wenn´s gut geht, und davon kann man nicht ausgehen, schließlich haben wir von Kassel hierher auch fast 3 Stunden gebraucht.

Dort, wo die Marktstraße in die Johann-Sebastian-Bach-Straße mündet, steht eine bemerkenswerte Skulptur. Sie ist (neben der „Turmschnecke“  von Gernot Rumpf – 2004 und  dem „Puppenspieler“ von Cathleen Meier aus dem Jahr 2003) eine von drei Skulpturen hier in der Marktstraße. Diese Skulptur heißt „Die Rast“ und wurde 2004 von Jo Jastram erschaffen. Finn, der kleine Delfin hat „Die Rast“ als Einladung empfunden uns sich gleich mal hingelegt.

Heimfahrt


Um 17:15 Uhr kommen wir los. Um 17:29 Uhr tanken wir an der Total Tankstelle am Anger.

Wir nehmen – mit einer kleinen Pause bei Hahausen – genau dieselbe Strecke, wie auf der Herfahrt (A36, B6, B82) bis zur Auffahrt Rhüden/Harz auf die A7. Von dort geht´s dann nach Süden, aber leider nur 10 km. Ab dem Parkplatz „Schwalenberg West“  – Es ist jetzt halb sieben – beginnt nämlich das Chaos, hier fängt nämlich eine Mega-Baustelle an, die – so zumindest unser Empfinden – nie mehr endet. Ne knappe halbe Stunde fahren wir jetzt schon hochkonzentriert Stop&Go. Nie schneller als 60. 20 km weit sind wir gekommen und ein dringendes Bedürfnis macht sich breit. Zum Glück kommt unterwegs ein Rastplatz. 35 Minuten – endlich ist die 25 km lange Baustelle vorbei. Noch 62 km bis zum Lohfeldener Rüssel.

19:45 Uhr. Ich bin heilfroh, dass wir wieder im Hotel sind. Die Autobahnfahrt heute war – insbesondere wegen der Mega-Baustelle – sehr, sehr anstrengend. Dazu kommt, dass viele LKW keinerlei Rücksicht auf PKW nehmen, den Blinker setzen und raus ziehen, dass man auch mit 130 km/h voll in die Eisen steigen muss, wenn man gleichauf ist. Der Abend endet im Zimmer mit bei Lidl gekauftem Bier, Erdnüssen und Chips.

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