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Mit Schlafsack und Zelt in die Serengeti

Massailand – Seit Wochen kein Regen (20.8.2009)


Nur fünf Minuten später starten wir zur wohl abenteuerlichsten Fahrt der ganzen Strecke, in ein Gebiet, das erst vor Kurzem für Touristen wieder geöffnet wurde. Wir fahren in den Ostafrikanischen Grabenbruch oder in das Rift Valley, wie das Tal auch genannt wird. Seit 18 Millionen Jahren teilt es den afrikanischen Kontinent auf einer Länge von rund 6500 km vom Unterlauf des Sambesi bis hoch zum Roten Meer. Irgendwann einmal wird der östliche Teil Afrikas wohl auch abbrechen und einen eigenen Kontinent bilden, so wie sich (in der späten Kreidezeit) der westliche Teil des ursprünglichen Kontinents „Gondwana“ abtrennte, jener Teil, der heute Südamerika ist. Unser Tages-End-Ziel ist das 120 km entfernte Lake Natron Tended Camp, wo wir heute übernachten werden.

Als ob Lazaro befürchtet, dass der von mir angesprochene „Kontinental-Bruch“ noch heute und jetzt erfolgen könnte, brettert er nur so durchs Tal. Dass sich unter uns eine furchtbare Schotterpiste befindet, scheint ihn nicht zu interessieren. Offensichtlich wird jeder, wenn er einen 286 PS starken 4,5-l-V8-D-4-Motor unterm Hintern hat, zum PS-Macho. 70 Stundenkilometer zeigt der Tacho bei Lazaros „Massai-Verscheuchen-Spiel“. Ich bin versucht, etwas zu sagen. Es nervt mich schon, wenn ich mitansehen muss, wie die „Rotgewandeten“ beim Heranbreschen des Land Cruisers in die „Pampa“ flüchten.

Das Land ist knochentrocken, unerwartet karg und unerwartet dürr. Was in uns vielleicht eine Art „Marlboro-Feeling“ aufkommen lässt, ist für die Einheimischen aber existenz- oder gar lebensbedrohend. Sind das schon die Folgen des Klimawandels? Ich werd’ richtig nachdenklich, wenn ich Frauen zu seh’, die frühmorgens mit ihren Eseln loslaufen, um dann nach einem Tagesmarsch durch die heiße, staubige Landschaft abends vielleicht mit einem oder zwei Kanistern Wasser zurückzukehren, während wir Wasser (Trinkwasser!) jeden Tag ohne irgendwas zu denken das Klo runterspülen.

Nicht weniger nachdenklich macht es mich, ihre Männer zu sehen, Hirten, die mit ihren z. T. bis auf die Knochen abgemagerten Rindern Tagesmärsche unternehmen, um vielleicht irgendwo auf Wasser zu stoßen. Dass sie dabei noch fröhlich winken, macht die Sache nicht erträglicher. Zweckoptimismus? Vielleicht wandern sie aber auch nur, weil sie gar nicht anders können.

Und wie sieht’s für die Bauern aus? Hat es dieses Jahr geregnet, als sie ihre Saat ausbrachten oder ist das Saatgut vorm Auskeimen auch schon vertrocknet? In Deutschland habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, obwohl vor über zehn Jahren schon die Weltbank warnte, dass die Kriege in diesem Jahrhundert nicht um Öl, sondern um Wasser geführt werden würden. Bereits jetzt schon streiten sich Bauern und wandernde Viehzüchter in Afrika um die Ressource Wasser. Es regnet einfach zu wenig. Das Land vertrocknet, die Armut wächst.

Die Sonne sticht erbarmungslos fast senkrecht auf uns hernieder. Die Piste malträtiert unsere Bandscheiben. Obwohl wird bei nahendem Gegenverkehr sofort auf’s Fotografieren verzichten und freiwillig die Seitenscheiben zuschieben, ist alles überzogen mit Staub. Was für unsere Augen gilt, gilt auch für die Kameras. Alle paar Minuten kommt der „Rasierpinsel“ zum Einsatz, um die Frontlinse zu säubern und dem Objektiv wieder neuen „Durchblick“ zu verschaffen. Seit einer halben Stunde werden wir nun gepudert. Mir kommt das alles aber schon viel länger vor.

Während die Steppe zunächst noch topfeben und völlig ohne Pflanzen war, wird die Landschaft mit zunehmender Entfernung von Mto wa Mbu hügeliger und grüner. An den Hängen der Lebrusko Hills entdecken wir Pflanzen, welche die Tansanier Candelabra trees (Euphorbia candelabrum) nennen. An ihren dicken, aufwärts gerichteten, kakteenartigen Ästen sind sie auch für Laien leicht zu erkennen. Candelabra trees gehören zu den Sukkulenten, das sind Pflanzen, die in ihrem Innern (ähnlich wie Aloe Vera) Wasser speichern können. Doch wer jetzt denkt, „Super, Wasser!“, den muss ich enttäuschen. Der weiße Saft der Pflanze ist extrem giftig und führt in höheren Dosen zum Tod. Bringt man ihn in die Augen, wird man blind.

Dennoch wird die Pflanze in der Medizin verwendet. In geringen Dosen wird der Saft der Pflanze mit Honig gemischt, als Abführmittel verwendet. Mit dieser Mischung soll man auch Syphilis (und gemischt mit anderen Pflanzen) und sogar Lepra behandeln können. Die Anwendungsmöglichkeiten sind aber noch viel abstruser: In höheren Dosen verabreicht werden mit Hilfe des Saftes der Candelabra trees Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen.

Dust-Devils – Staubteufel


In der höher gelegenen Region nördlich der Lebrusko Hills ist es wieder aus mit Botanik. Hier ist es so heiß, dass sich über der trockenen Ebene kleine Wirbelwinde (so genannte Dust Devils) ausbilden, welche den Staub wie im Zyklon mit nach oben reißen. Während die meisten Staubteufel mit Windgeschwindigkeiten zwischen 10 bis 40 km/h relativ schwach, harmlos und kurzlebig sind, kommt es doch vor, dass manche Staubteufel sich orkanartig schnell drehen und zur echten Gefahr werden können. Der Staub ist und bleibt unser ständiger Begleiter. Egal, ob er von Autos hochgewirbelt wird oder von den Hufen der Massai-Rinder. So viel Staub und eine derart trockene Gegend habe ich noch nirgendwo erlebt.

Im Tal des Lositete Rivers


Gegen 11:00 Uhr machen wir Rast auf einem Hochplateau oberhalb des Tals, in dem eigentlich der Lositete River fließen sollte. Auch hier ist es, wie schon auf der ganzen Strecke, ebenfalls staubtrocken. Nur am „grünen Band“ kann man noch erahnen, dass dort unten wohl mal ein Wasserlauf war. Jetzt sind wir total in der „Pampa“. Würde Lazaro jetzt einsteigen und mit Alouis davonfahren, hätten wir drei mit Sicherheit keinerlei Überlebenschance. Zum Glück denkt Lazaro noch nicht mal im Traum d’ran. Hoff‘ ich doch!

Im Land-Cruiser zurück heften wir unsere Lippen dann erst mal wieder an unsere Wasserflaschen, von denen Elefant Tours während der gesamten Safari (ohne Aufpreis) reichlich anbietet.

Nach einer halben Stunde Fahrt passieren wir am Fuß des Oldonyo Elongo ein in seiner Bauart typisches, jedoch namenloses Massaidorf. Schemenhaft deuten sich im Hintergrund die Höhenzüge der Embulbul Depression an, mit Bergen, teilweise höher sind als Deutschlands höchster Berg, die Zugspitze. Noch weiter dahinter, etwa 30 km von hier entfernt, liegt irgendwo der Ngorongoro Krater, an und in dem wir dann am Sonntag sein werden.

Wir fahren heute aber zunächst mal weiter nach Norden und erreichen schon kurze Zeit später Embaruka, wo wir zum ersten mal seit Mto wa Mbu wieder Wasser sehen. Am Eingang des Dorfes haben die Bewohner im Namen des „Monduli Councils“ (einer Art Gebietsverwaltung) eine Schranke angebracht, wo man, will man weiter, eine „Council“-Gebühr zahlen muss.

Shimo la Mungu – der Krater Gottes


Keine zwei Kilometer hinter Engaruka hält Lazaro mitten auf der Hocheben erneut an und lässt uns aussteigen. Was ist jetzt los? Er führt uns über die topfebene Landschaft und erst als wir schon fast hineinfallen sehen wir den riesigen Krater „Shimo la Mungu“, den Krater Gottes, der ohne irgendwelche vorherigen Anzeichen direkt in die Ebene „eingestanzt“ ist. Genauso unvermittelt wie das Loch, tauchen auch gleich eine Horde Massaifrauen und -kinder auf, die uns anbetteln oder aber irgendwas verkaufen wollen.

Oldonyo Lengai – der Berg Gottes


Im Hintergrund erkennen wir (in Ergänzung zum Krater Gottes) schemenhaft auch schon dessen Berg: Oldonyo Lengai. Die Massai glauben, dass auf dem Gipfel des Berges ihr Gott Engai sitzt, der seine Wut auf die Menschen hin und wieder mit Vulkanausbrüchen sichtbar macht. In den letzten hundert Jahren war er etwa 20 mal sauer, zum letzten Mal im März 2006. Die erkalteten Lavaströme kann man (wenn man wie wir von Süden her kommen) sehr gut erkennen. Oldonyo Lengai ist übrigens der einzige Vulkan weltweit, der Karbonatitlava ausstößt, dünnflüssig wie Wasser und auch nur maximal 590 °C heiß. Die Farbe der beim Austritt zunächst noch dunklen Lava verwandelt sich sehr schnell in ein helles Beige, so dass der Berg immer aussieht, wie wenn er von einer riesigen Taube zugekackt worden wäre. Bei allen anderen Vulkanen besteht die Lava übrigens aus Silikatschmelzen. Deren Temperatur liegt beim Austritt in der Regel zwischen 800 °C (rhyolithische Lava) und 1200 °C (basaltische Lava).

Lake Natron and Loliondo Game controlled Area


Noch in Sichtweite des Vulkans (es ist inzwischen 12:30 Uhr) unterbricht völlig unmotiviert zunächst ein Schild, dann ein Massai und zuletzt eine Schranke unsere Weiterfahrt. Diese horizontale, in einem Pfosten gelagerte, hochklappbare Holzstange stellt das Engaresero Gate dar. Dahinter beginnt die „Lake Natron and Loliondo Game controlled Area”. (Wo diese Area links und rechts vom Weg beginnt, erfährt man nicht, denn Zäune o. ä. gibt es nicht). Aber es gibt eine Schranke und da muss Lazaro hat einige Papiere auszufüllen und muss aus was zahlen. Als Tourist in einer (wenn auch nur 3-köpfigen) Reisegruppe zu fahren hat manche Vorteile, aber auch Nachteile. So bekommt man nämlich nicht mit, wofür hier Gelder fließen, wem sie zugute kommen und was überhaupt damit geschieht. (Das habe ich weder von Lazaro erfahren noch hat mich die nachträgliche Internet-Recherche schlauer gemacht).


< Von der Zion Campsite nach Mto wa Mbu Lake Natron Campsite >
MIT SCHLAFSACK UND ZELT IN DER SERENGETI … UND HINTERHER NACH SANSIBAR
REISEBERICHTE AUS AFRIKA


Eine Reaktion zu “Mit Schlafsack und Zelt in die Serengeti”

  1. Stephan

    Ich finde diesen Zwiespalt den Du beschreibst sehr interessant und ich erinnere mich da noch an eine Schularbeit von Anno dazumal, wo ich mich mit dem Thema der Sahelzone beschäftigen durfte. Schade, dass ich das damals vollständig ausgearbeitete Heft wohl nicht mehr habe…aber es ist schon interessant, dass über die Jahre die Probleme doch die gleichen bleiben.

    Übrigens: Son Toyota Land-Cruiser kann schon was ab, ist halt ein Geländewagen und kein Modeaccessoire! :-D