Samstag, 5.9.2015
Samstag morgens in Kroatien
Fünf Uhr morgens. Der ursprüngliche Plan für Samstag war ja, mit dem „Kreuzfahrtschiff Helena“ von Maslenica aus eine ganztägige Tour zu unternehmen.
„Fahren Sie mit dem Schiff Helena über drei Meere und entdecken Sie die Schönheiten des Flusses Zrmanja und des wunderbaren Canons, wo die Winnetoufilme gedreht wurden und wo damals die Seeräuber segelten“, stand in der Ankündigung und „trinken Sie Kaffee in dem schönen Novigrad, fahren Sie unter zwei Maslenicabrücken hindurch! Essen Sie in dem bekannten Restaurant Kalada in Ribnica, wo sich eine schöne Terrasse mit Blick auf den Kanal befindet. Sonnen Sie sich, baden Sie, tauchen und entdecken Sie abschließend ein versenktes russisches Schiff!“ |
Das komplette Programm für 280 kn. (also ca. 37 €), dazu ganztags Getränke auf dem Schiff (Wasser, Saft, Wein, Bier). Da dass Ganze aber in hohem Maße vom Wetter abhängt, hat mich Hrvoje Vulic, wahrscheinlich der Kapitän des Bootes, gebeten, mich im Vorfeld zu erkundigen, ob die Ausfahrt überhaupt stattfindet. Aus diesem Grund schick ich ihm morgens um 5:00 Uhr eine SMS. Die Antwort kommt auch prompt! Das Wetter ist dermaßen schlecht, dass sie „Helena“ weder heute, noch morgen, noch übermorgen, kurz gesagt überhaupt nicht ausfahren wird, solange ich in Kroatien bin. Das ist echter Mist.
In Italien kenn´ ich das ja, da wird gerne mal das Wetter vorgeschoben, wenn nicht genug Passagiere zusammenkommen. Ein Blick aus dem Fenster sagt mir aber, dass Hrvoje sicher nicht flunkert. Aber soll ich mir vom Wetter nun den Tag verderben lassen? Mit dem Auto kann man doch sicher etwas anfangen. Das wird sich sicher ergeben.
Um 6:15 Uhr sitze ich im Auto. Ganz egal, ob sie „Helena“ nun fährt oder nicht, ich will sehen, wo sie weggefahren wäre. Ich geb´ „Maslenica“ ins Navi ein und starte. Es gießt in Strömen.
Auch nach Sonnenaufgang, eine halbe Stunde später, sieht die Sache nicht wesentlich besser aus. Bedrohlich tief hängen die Wolken, bedrohlich tief fliegen die Schwalben, und die Gänse, eigentlich Wasservögel, tun mir einfach nur leid.
Gerade komme ich an dem Grill vorbei, an dem ich gestern Abend Cevapcici gegessen habe.
Ein Scheißwetter ist das. Bei diesem Regen ist es eigentlich egal, ob ich Autobahn fahre oder Landstraße. Ich habe eigentlich kein konkretes Ziel und hoffe nur, irgendwo ein regenfreies Plätzchen zu finden. Weshalb sollte ich also Maut bezahlen? Aus diesem Grund fahr ich hinter Gračac nicht Richtung Autobahn, sondern auf die D 27.
Die D 27 führt als Passstraße (Prezid Pass) über das Velebit-Gebirge. Es ist nichts los. Äußerst selten begegnet mir ein Auto. Ist das generell so oder liegt das daran, dass man bei diesem Wetter keinen Hund vor die Tür jagt? Auch sonst ist die Stimmung erdrückend. Bei Vrace, 7 km hinter Gračac, steht dieses völlig zerstörte Haus. „UN“ steht noch an der Fassade.
Recherchiert man nach, stellt man fest, dass hier in der Krajina der Kroatien-Krieg offenbar besonders heftig tobte. Von „Massakern an der Zivilbevölkerung“ ist die Rede, von „ethnischen Säuberungen“ und „massiven Plünderungen“. Tausende Menschen seien hier ums Leben gekommen, Hunderttausende zur Flucht gezwungen worden. Erst als die internationale Staatengemeinschaft 1992 sogenannte UN-Schutzzonen (United Nations Protected Areas, UNPAs) einrichtete, habe sich die Lage etwas entspannt.
Unvorstellbar! Und jetzt bin ich als Urlauber hier. Das muss ich erst mal verdauen.
Maslenica
Um 8:45 Uhr komme ich in Maslenica an, genau an der Stelle, von wo aus die „Helena“ eigentlich abfahren sollte. Einladend sieht die Stimmung über dem Meer nicht gerade aus. Aber so ein „Grau-in-grau-Bild“ mit Booten gibt zumindest fotografisch etwas her.
Doch das Foto von den Booten hätte ich wohl besser nicht gemacht. So schnell kannst du gar nicht gucken. Ein Schlag, und der Reiter mit der Werbung für die „Helena“ fliegt an mir vorbei. Dann prasselt‘s auch schon los. So viel Wasser auf einmal habe ich noch nie gesehen.
Während ich so richtig zugeschüttet werde, geht hinter mir eine Tür auf. 3 Männer rufen mich herein. Und obwohl es nur 3 Meter sind bis zur Tür, bin ich nass bis auf die Haut. Die Tür gehört zum kleinen, schnuckeligen Café Vrisak, das ich von außen gar nicht als Café erkannt hätte. Drin ist ´ne Theke und Platz gerade mal für drei oder vier Leute. Eigentlich sollten die Gäste ja auf der anderen Seite der Ul. Gojka Šuška auf der Terrasse sitzen, aber die Ul. Gojka Šuška gibt`s nicht mehr. Wo sie eben noch war, ist nunmehr ein reißender Strom.
Mit Sorge blicken wir nach draußen. Wir können nichts machen, als erstmal abwarten und Tee trinken, d. h. eigentlich Cappuccino. Für 8 Kn. gibt‘s hier den „Cappuccino deines Lebens“! Und Gastfreundschaft gratis! Einfach unbeschreiblich! Hätte ich in Deutschland, wenn ich nichts weiter als eine Pfütze ins Lokal bringe, und dazu noch Ausländer bin, überhaupt rein gedurft? Ich bin beschämt.
Genauso schnell wie der Wolkenbruch kam, hat der Regen auch wieder aufgehört. Da im Augenblick von oben nichts mehr kommt, ziehe ich meine Schuhe aus, krempel die Hosenbeine hoch und wate über die Ul. Gojka Šuška rüber zu meinem Auto. Mein Ziel ist Novigrad, wo es bei einem Campingplatz angeblich einen solitär lebenden Delfin geben soll.
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