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Mit Schlafsack und Zelt in die Serengeti

Morgenspaziergang bei der Lake Natron Campsite (Fr. 21.8.2009)


6:30 Uhr, die anderen schlafen noch alle, als über den Meta Hills die Sonne aufgeht. Da kann ich nicht mehr ruhig im Zelt liegen bleiben, da muss ich einfach raus und fotografieren. Gestern (in der Zion-Campsite) war ich auch der erste, der auf den Beinen war. Nur gab’s dort – im Gegensatz zu hier – weder Wasser im Klo noch in den Duschen. Hier dagegen gibt es alles, was man sich nur erträumt. Und so kann ich mich, nachdem ich den Sonnenaufgang „im Kasten“ hab‘, in aller Ruhe und völlig ungestört einer ausgiebigen Morgentoilette widmen.

Nachdem ich geduscht bin, Zähne geputzt hab’ und neu eingekleidet bin (rasieren hätt’ ich mich eigentlich auch noch können), will ich noch ein bisschen raus aus dem Camp und dort fotografieren. Ich glaub’ nicht, dass es hier irgendwelche gefährlichen Tiere gibt, Löwen, Leoparden oder sonst was in der Art. Wovon sollten die sich auch ernähren, wenn draußen doch nur alles „Wüste“ ist. Gazellen, Antilopen, Zebras hätten dort draußen nicht dir Spur einer Chance und Raubtiere demzufolge auch nicht.

Zurück im Camp


Als ich gegen 8:00 Uhr wieder zurückkomme von meiner Fototour, ist das Camp so langsam am Aufwachen. Freudig werde ich von der „Wachhündin“ des Camps begrüßt, die sich von mir ihre Streicheleinheiten abholt.

Gegen halb neun macht sich Alouis langsam ans Frühstück. Es gibt Würstchen, Toastbrot und Spiegelei. Genau nach meinem Geschmack. Etwas Nahrhaftes muss aber auch sein, denn heute liegt der wohl beschwerlichste Weg der ganzen Safari vor uns. Erst durchs Rift Valley und dann an dessen Abbruchkante (Escarpment) 1400 Meter hoch bis auf die Hochebenen der Serengeti. Sind zwar nur 178 km, aber dafür sind 6 bis 7 Stunden veranschlagt. „Die Strecke ist erst seit kurzer Zeit wieder für Touristen passierbar und gehört noch zu den Geheimtipps in Nordtanzania“, schreibt Elefant-Tours in seiner Ankündigung.

Das hat mich natürlich interessiert und so habe ich mich schon im Vorfeld zuhause schlau gemacht. Es gibt ja nichts, was man im Internet nicht findet. In Zeitungsberichten aus dem Jahr 2000 ist zu lesen, dass es im Maloni-Gebiet, durch das wir heute fahren, immer wieder zu Überfällen durch somalische Banditen gekommen sei. So sei John Majoel, ein Pfarrer der „Evangelisch-Lutherischen Kirche von Tansania (ELCT)“ einfach hinterrücks erschossen worden, als er gerade seinen Land Cruiser verlassen wollte. Zwei Jahre zuvor haben ebenfalls somalische Banditen den befehlshabenden Offizier des Ngorongoro Districts Issaya Kong’oa und seine Begleiter erschossen.

Ich hoffe schwer, dass sich die Lage inzwischen beruhigt hat. Abenteuer ist ja recht und gut, aber in die Hände von Banditen fallen, das muss ja dann auch nicht sein. Da vom Auswärtigen Amt aber keine Reisewarnung für das Gebiet vorliegt, nehme ich an, dass die Tour für uns einigermaßen sicher ist. Dennoch, so richtig wohl ist mir nicht.

Ist es besonders „prickelnd“ oder warum hat Elefant Tours gerade diese Route für uns gewählt? Besonders scheint die Gegend ja nicht zu sein. In „Google Earth“ beispielsweise findet man in diesem Gebiet überhaupt nichts. Okay, es stehen die Worte da: Mtowabaga, Hernah und Sonjo (das sind vielleicht Städtenamen), und rechts unterhalb von Sonjo verläuft auch eine dünne Linie, die möglicherweise eine Straße oder ein Weg sein könnte, aber Häuser o. Ä. sind weit und breit nirgendwo zu erkennen. Das ist das wohl niemandslandigste Niemandsland. Hoffentlich haben wir unterwegs keine Panne.

Vom Lake Natron zum Rift Valley Escarpment


Kaum aus der Campsite draußen, ist alles wieder Grau in Grau. Geröll markiert den Weg. Nur hie und da ein paar vertrocknete Büsche. Grün ist rar. In dieser unwirtlichen Gegend versuchen Massai zu überleben und für ihr Vieh irgendetwas Fressbares zu finden.

Außer vereinzelten Massai und ihren Tieren sieht man hier niemanden, Touristen schon gleich gar nicht. Das ist ja auch kein Wunder. Eine „Straße“ oder eine „Spur“ muss man erst mal finden. Wie Lazaro das ohne Navi schafft, ist mir ein Rätsel. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was wäre, wenn ihm irgendwas passiert. Wegweiser, Straßen oder Orientierungspunkte erkennen wir nämlich nicht. Okay, Wasser hätten wir genug dabei und Henning würde uns sicher suchen lassen, wenn er ein paar Tage nichts von uns hört. Aber ein gutes Gefühl bleibt trotzdem nicht.

Langsam steigt das Gelände an. Die Hügel sehen aus wie graubraune erstarrte Lavamassen. Nur sehr, sehr vereinzelt steht an den Hängen noch ein einzelner Busch. Wir sind eine viertel Stunde unterwegs. Nach einer weiteren Viertelstunde überqueren wir einen Fluss. Das könnte der Moinik sein. Hier gibt es plötzlich wieder ein bisschen Grün. Auch Löffler und Ibisse sind zu sehen.

Es geht hoch und hoch. Manchmal sind die Spitzkehren so eng, dass Lazaro mit dem Land Cruiser zurücksetzen muss. Manchmal muss er aber auch aussteigen, um einzelne der teils mächtigen Steine von der Straße zu räumen. Das Geröll ist also geblieben, nur die Farbe hat gewechselt. Während es unten grau war, ist es hier oben braun. Der Boden wird zunehmend lehmiger und erinnert mich an die Braunerden, die es auch bei uns gibt.

Bis eben war’s ja noch Spaß, aber jetzt geht’s richtig hoch. Der Weg wird immer steiler, immer rauer und immer steiniger. Ich hab‘ keine Ahnung, wo wir sind, ob richtig oder falsch. Jedenfalls ist links neben uns die Sonne und es ist 11:00 Uhr. Wir müssten also grob Richtung Westen fahren. Und dann sind wir oben, 2200 m hoch, auf der Kante einer riesigen Bruchspalte innerhalb der Erdkruste.

Dass diese Bruchspalte durch Absenkung von Gesteinspaketen und nicht etwa durch Erosion entstand, hat John Walter Gregory 1893 anhand von Beobachtungen und Gesteinsproben bewiesen. Er glaubte, dass es die weltweit größte Verwerfung sei und gab ihr den Namen „The Great Rift Valley“.

Ob die Bruchspalte tatsächlich die größte ist, ist mir vergleichsweise egal. Mein Blick schweift über das „Tal“ und bei seinem Anblick fühle ich mich jedenfalls mächtig klein. Links die gewaltigen Felsformationen, die mich stark an das Monument Valley erinnern, und rechts – wie mickrig – die Straße, auf der wir uns hochgekämpft haben.

Hier oben machen wir erst mal Pause und ich summe – offensichtlich für alle hörbar – das Lied aus der Zigarettenwerbung (und das als Nichtraucher!), was Helmut dazu veranlasst zu stänkern. „Hast Du deinen Rekorder eigentlich nicht mehr dabei? Du hast heute noch keine einzige Tonaufzeichnung gemacht. So kann’s ja nie was werden mit dem Tagebuch und deinem Internet-Bericht.“ Ich dreh‘ mich um und blicke in ein Gebiet, das bis zum Horizont jetzt nur noch topfeben ist. Und irgendwo dahinten ist die Serengeti.


< Oldonyo Lenga und Lake Natron Vom Rift Valley zur Serengeti >
MIT SCHLAFSACK UND ZELT IN DER SERENGETI … UND HINTERHER NACH SANSIBAR
REISEBERICHTE AUS AFRIKA