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Samstag, 17. Dezember 1988


Nach einer stürmischen Nacht


Die Nacht war sehr, sehr stürmisch. Anfangs war ja noch alles okay, aber schon bald wurde der Wind heftiger, Gegen Mitternacht hörte es sich so an, als ob es hageln würde, was ich mir allerdings in den Tropen nicht vorstellen kann. Die Dunkelheit wird von den gelegentlichen Blitzen durchbrochen, die für kurze Momente den gesamten Himmel erleuchten. Danach dumpfen Donnergrollen. Es ist ein ständiger Wechsel zwischen angenehmem Brise und drückender Schwüle.

Unwetter über Boracay

In der Nacht hatte ich manchmal das Gefühl, dass der Boden wackelt. Ob das jetzt am Wind lag oder am „Añecho-sentimiento“, weiß ich nicht. Noch vor Sonnenaufgang (die Sonne geht um 6:05 Uhr auf) bin ich draußen. Die Luft ist feucht und warm und riecht ziemlich erdig. Der Wind hat nachgelassen und der Regen aufgehört. Die Sonne bahnt sich ihren Weg durch die Reste der dunklen, schweren Wolken. Ich glaube, der Tag könnte was werden. Nach dem „Witterungs-Test“ lege ich mich nochmal aufs Bett, denn mit Frühstück ist vor acht wohl nicht zu rechnen.

Die Suche nach den Flughunden


Nach dem Frühstück geh ich rüber zur Post. 9:00 Uhr hatten wir ausgemacht und als ich ankomme, sind Rosalore und Lothar tatsächlich schon da und warten. Wie gesagt, wollen wir heute den Bat-Caves am äußersten Nordzipfel der Insel, dorthin, wo ich wo ich gestern kurz am Spätnachmittag die Flughunde gesehen hab.

Der Rundweg mit Rosalore und Lothar

Über Pinaungan geht’s nach Yapak und weiter Richtung Yapak Beach. 200 Meter hinter Yapak gabelt sich der Weg, und wir müssen rechts Richtung Punta Ina. Den Weg gehen wir einen halben Kilometer oder etwas mehr. Die kleinen Kalksteinhöhlen liegen abseits der bekannten Touristenpfade, daher fragen wir zwei Knirpse nach dem Weg. Sie zeigen ihn uns gern, möchten aber einen „Tip“, was okay ist. Es geht weiter Richtung Ostküste. Ich glaub‘, hier war ich schon mal. Da aber nicht! In Sichtweite des Meeres kommen wir an einen Zaun mit einem Schild. „Caves, Entrance 5 ₱“.

Wir zahlen und gehen weiter. Nach ca. 5 Minuten kommen wir an ein schwarzes stinkendes Loch. Ohne irgend was besonderes drum herum. Meine Höhle von gestern ist das aber nicht! Kurz reingeguckt, aber hier ist auch nichts, nur muffiger Geruch und vollgekackte Wände. Da es nichts zu sehen gibt. machen wir uns auf den Rückweg. Da wollen die Knirpse 50 ₱. Das ist zehn Mal mehr als der Eintritt und mehr als ein Tageslohn der meisten hier. Da mach ich dann den „Rolf“. Hab am Dienstag ja gesehen, wie das geht. Damit es nicht zum offenen Krach kommt, zahlen wir zusammen letztendlich 10 ₱ und schicken die Knirpse dann „in die Wüste

Die Sticker


Ohne Führung machten wir uns auf den Weg zurück nach Yapak, zunächst steil hoch durch einen dichten Wald, was schon richtig abenteuerlich, dann bei Punta Bongo vorbei, wo wir an einer kleine Bananen-Anpflanzung vorbeikommen. Doch wohin jetzt?

Bananenstauden

Irgendwie hab ich den Eindruck, dass wir da schon mal waren. „Damit das nicht nochmal passiert, markieren wir unseren Weg“, meint Lothar und zieht Aufkleber aus der Tasche, darauf ein Husky mit stahlblauen Augen und eine Anorak tragende Frau mit ebenso stahlblauen Augen. Die Aufkleber stammen aus einer Werbekampagne von CIBA Vision, die sich auf die Förderung und den „Fortschritt in der Augenheilkunde und Augenoptik“ konzentriert, und waren ursprünglich für die Opti ’89-Messe im Januar in München gedacht, eine der wichtigsten Veranstaltungen der Branche.

Lothars Aktion scheint tatsächlich zu helfen. Obwohl er „alle paar Meter“ einen Werbesticker platziert hat, sehen wir auf unserem weiteren Weg an keinem einzigen mehr. Dann sehen wir unter uns das Meer. „Da war ich gestern nicht! An diesen Hang würde ich mich erinnern!“ Auf dem Hosenboden rutschen wir den steilen Abstieg hinunter. Der Strand ist ganz anders als der belebte White Beach. Ich glaube, hier war vor uns noch niemand. Der nur wenige Meter breite Strand ist umgeben von dichter Vegetation und Felsen, die ihn damit noch abgeschiedener und zugleich magischer wirken lassen. Trotzdem, ein

Wo sind wir jetzt?

Gegenüber der Seite, auf der wir runtergerutscht sind, geht, durch dichte, tropische Vegetation, ein kleiner Fußweg hoch. Den nehmen wir. Die Hitze ist erdrückend. Da Yapak, d.h. die Zivilisation, aber höchstens einen Kilometer, sprich maximal eine halbe Stunde weit weg sein kann, genießen wir unser kleines „Abenteuer“. Im Hintergrund hört man immer noch das konstante, beruhigende Rauschen des Meeres. Wir folgen dem Pfad immer weiter durch den Wald und erreichen nach einiger Zeit die Hauptstraße und kurze Zeit später Yapak.

Rückweg zum White Beach


In einem Store können wir uns hinsetzen, etwas essen und eine Cola trinken. Fledermäuse haben wir bisher noch nicht gesehen. Nach einer erfrischenden Pause gehen wir Richtung Süden. Es ist jetzt kurz nach vier. Genau die Zeit, wo ich gestern die Flughunde sah. Als ob sie eine innere Uhr hätten, tauchen sie heute – als ob sie einem Ritual folgen – genau zur gleichen Zeit wieder auf. Ich bin total happy, dass Rosalore und Lothar jetzt auch ihren „Erfolg“ gehab haben.

Es wird bald dunkel werden am White Beach

Jetzt können wir beruhigt nach Hause und zum White Beach gehen. Die fünf Kilometer entlang der Hauptstraße machen wir jetzt doch „mit links“. Wir müssen uns nichts mehr beweisen und uns seitwärts in die Büsche schlagen, wir haben erlebt, was wir erleben wollten. Diniwid liegt nun auch schon hinter uns. Die Hälfte der Strecke haben wir also. Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Atmosphäre mit jedem Kilometer ändert. Erst sieht man noch viel Grün und Natur, die typisch für die Insel sind, dann kommt immer mehr vom weißen Sand, der sich jetzt direkt vor uns ausbreitet.

Die Wahnsinns-Mücken, die jetzt von allen Seiten über uns herfallen, sind ein sicheres Zeichen, dass die Sonne bald untergehen wird. Wir müssen uns also beeilen. Um 18:15 Uhr ist’s dann rappenzappenduster. Trotzdem: Wir haben’s geschafft. Wir fühlen uns wie Entdecker, die auf eigene Faust ein unberührtes Paradies erkundet haben. Das war einfach klasse! Beim Italiener neben dem „Jolly Sailor“ – den Namen des Restaurants habe ich leider vergessen – geh’n wir abschließend Spaghetti essen.

Tinikling


Den späten Abend verbringen wir im „Titay“ wo heute Abend ein „Tinikling“ stattfindet. „Tinikling“ ist ein traditioneller philippinischer Tanz, bei dem ein oder mehrere Tänzer wie aufgescheuchte Vögel zwischen zwei Bambusstangen umherhüpfen. Der Tanz beginnt damit, dass zwei Männer im Abstand von etwa 3 Metern, die Gesichter einander zugewandt, am Boden knien und zwei, etwa 2,75 m lange, und im Abstand von 50 cm parallel liegende Bambusstangen in den Händen halten. Seitlich der Stangen stehen zwei oder mehrere Tänzer.

Rechnung des Titay

Dann geht der Terz los. Einem bestimmten Rhythmus folgend versuchen die Tänzer mal ein Bein, mal zwei zwischen die Stangen und auch wieder heraus zu bringen. Problem. Die Stangen werden von den Knienden im selben Rhythmus zunächst ein paar Mal auf den Boden, dann aber auch in Knöchelhöhe der Tänzer zusammen geschlagen. Was langsam beginnt, wird immer schneller. Irgendwann bekommt der eine oder andere Tänzer seinen Fuß eben nicht mehr rechtzeitig zwischen den Stangen heraus. Die Philippinos, zu deren Traditionen das Tinikling gehört, schaffen das meist. Nicht so die – häufig angeheiterten – Touristen. Und darin scheint der „Reiz“ solcher für Touristen ausgerichteter Abende zu liegen. Ursprünglich sollte der Tanz an die Bewegungen von im Schilf schreitenden Vögeln und das Aneinanderklappern der Stangen an deren Schreie erinnern. Heute hört man – vom Grölen der Masse übertönt – nur noch die Schmerzenslaute von Touristen, die glaubten, sich hier aufplustern zu müssen. Gott sei Dank sind Rosalore, Lothar und ich – obwohl auch schon recht angeheitert – noch klar genug im Kopf, uns die Knöchel – zur Gaudi des Mobs – nicht ramponieren lassen.

Der späte Weg nach Hause


Weit nach Mitternacht machen wir uns dann – jeder für sich – auf den Heimweg.


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