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Montag, 12. Dezember 1988


Überlebt – dem Meer zum Trotz


Ich hab’ geschlafen, wie lange nicht mehr. Nach Duschen und Anziehen merk ich dann, dass das Armband an meiner Uhr kaputt ist. Ein Federstäbchen mit dem das Armband am Uhrengehäuse festgemacht ist, ist durchgerostet. Doch wenn das das Einzige ist, was „durchgerostet“ ist, soll’s okay sein. Trotzdem will ich nachher versuchen, ob ich das in der Stadt irgendwie reparieren lassen kann.

Edwynas Rechnung

Edwyna hat mir meine Rechnung fertig gemacht und – obwohl ich bis Samstag gebucht hatte – nur vergangenen Mittwoch- und Donnerstag-Nacht berechnet. Dazu das, was ich gegessen und getrunken hab’ und 2 neue T-Shirts (ja, die gibt’s hier auch und meine, die ich bisher anhatte, kann man grad so wegschmeißen). Alles in Allem hab’ ich 256,60 ₱ (21,60 DM) gezahlt. Die Rechnung hab’ ich extra aufgehoben, denn das glaubt dir sonst keiner. Ich leg ihr zwei „Daan-Piso-“ (100-₱-Scheine) und zwei „Limampu-Piso-Scheine“ (50-₱-Scheine) hin, bedank mich herzlich und sag, dass das mit dem Geld so okay sei. Auch wenn Trinkgeld auf den Philippinen unüblich ist, lass ich mir die Drei-Mark-fuffzig doch nicht zurückgeben! Da seh’ ich, die heutige Nacht und das heutige Frühstück sind ja noch gar nicht dabei und die folgenden Tage – ich weiß nicht, wann ich wieder zurück kann nach Manila – auch nicht. Edwyna meint aber nur „We’ll cross that bridge, when we come to it“ was auf Deutsch so viel heißt wie „Wir machen das, wenn es soweit ist“.

Ungewöhnliche Begegnungen

Hey Joe


Nach dem Frühstück lauf ich die Valencia-Street hoch Richtung Innenstadt. „Hey Joe!“ hallt’s mir heute von allen Ecken entgegen. Hab’ ich heute irgendwas Besonderes an mir? Wohl nicht, denn die Kinder nennen anscheinend jeden Weißen so. „Hey Joe!“ Wenn du antwortest, platzen sie vor Stolz. Ich hab eben ‘ne Hand voll solcher Knirpse mit meiner „Canon Top Shot“, meiner Ersatz-Kamera, fotografiert. Auch wenn sie die Bilder gar nicht sehen können, kennt ihr Stolz keine Grenzen mehr. Kleine Mädchen dagegen machen dich auf eine ganz andere Weise an. „What’s your name, Joe?“ fragen sie kokett. Antwortest du, dann rennen sie weg und kriegen sich nicht mehr ein vor Gekicher.

Auf der Straße begegnest du aber auch vielen ausgemergelten, bettelnden Händen, die ein Geldstück erflehen oder was zu beißen. So was kenne ich aus Welzheim oder Geradstetten gar nicht . Ich weiß daher echt nicht, wie ich mich verhalten soll und dann plagt mich das schlechte Gewissen. Manche Leute hier sehen aber auch wirklich erbärmlich aus.

Und dann gibt es wieder diese Typen wie Jun, die es verstehen, den Touristen das Geld nur so aus der Tasche zu ziehen. Auch mich hat er ausgenommen wie ‘ne Weihnachtsgans! Andererseits, ohne ihn hätt’ ich kaum so viel gesehen hier. Aber egal. Seitdem ich im „Duchess Pension House“ bin, habe ich ihn nicht wieder gesehen.

Beim „Uhrmacher“


Ich bin jetzt in der Rizal-Avenue, werde aber von mir aus keinen „Uhrmacher“ finden. Also halt’ ich ein Trike an und erzähl’ dem Fahrer, dass ich einen „Uhrmacher“ brauche. Er fährt mich den halben Kilometer durch die Gegend und setzt mich direkt vorm „Uhrmacher“ ab. Das war den 1 ₱ doch wert.

Da geht auch Uhrmacher

Den „Uhrmacher-Laden“ kenn’ ich schon lange. Es ist der, der auch kunstvolle Zeichnungen, liebevoll gestaltete Schilder, Fahrräder und sogar Schuhe repariert und verkauft. Heute aber ist er tatsächlich nur und ausschließlich „Uhrmacher“. Für mein spezielles Problem hat er eine „eigene Werkstatt“, ein etwa 50 x 50 cm großes, mit einer rußigen Petroleum-Funzel beleuchtetes „Servierbrett“, das vor seinem Laden irgendwie eine ganz besondere Atmosphäre schafft. Als einziges Handwerkszeug hat er eine kleine, leicht angerostete Flachzange.

Es versteht sich von selbst, dass es hier auf Palawan natürlich keinen Ersatz-Stift gibt, schon gar keinen 20 mm langen „Original-Quick-Release-Spring-Bars-Uhr-Pin“. Aber so ein fehlendes Teil ist auf den Philippinen überhaupt kein Problem. Philippinos sind nämlich wahre Meister im Improvisieren.

Ich weiß nicht, wie der „Uhrmacher“ das gemacht hat, aber nach ein paar Minuten ist das Armband wieder dran. 5 ₱ (40 Pfennig) hat mich die Reparatur gekostet. Das war jetzt mal richtig interessant.

Beim Armband-Flechter


An einem Marktstand nebenan guck’ ich einem älteren Mann zu, wie er mit den Händen meisterhaft etwas zusammenbastelt. Versiert flicht er Grashalme und Binsen so ineinander, dass es hinterher einen Armreif gibt. Nicht schlecht, denk’ ich mir. Ein passendes Geschenk für Bärbel, das im Flugzeug dann auch nicht allzu viel wiegt. Mir dagegen gefällt eine Art „Traumfänger“ aus Muscheln besser. Also beides gekauft für Zuhause: Armband und „Traumfänger“.

Freiluft-Autowerkstatt


Eigentlich suche ich ja auch noch einen Fotoladen, denn die AE-1 hat den Sturz am Freitag leider nicht überlebt. Aber einen Foto-Laden sehe ich in ganz Puerto-Princesa nicht, dafür entdecke ich aber eine Freiluft-Werkstatt. Das Wetter ist hier meist so gut, dass die KFZ-Schlosser gar keine Halle brauchen. So liegen die Acetylen-Flaschen, die Getriebe, die Eisenstangen und was man sonst noch alles braucht, einfach draußen rum.

Den Platz unterm Dach nutzen sie eher, um selbst im Schatten zu sitzen und andern bei der Arbeit zuzusehen, z.B. wenn am einem Jeepney in Ermangelung einer 16″-5-Loch-Felge, die eigentlich auf einen Jeep gehört, dann eben einfach eine 18″-6-Loch-Felge eines J60er-Toyota Land Cruisers montiert wird. Hauptsache das Profil ist in Ordnung. Die 5 cm Unterschied im Felgendurchmesser merkt beim Fahren eh keiner.

Was der philippinische TÜV dazu sagt? Nichts! Einen philippinischen TÜV gibt’s nämlich nicht. Der Philippino sieht das eher pragmatisch. Ein Auto muss fahren, und wenn man es halbwegs um die Kurven kriegt und die Bremsen nicht völlig hinüber sind, ist das voll okay. Von Qualmwolken am Auspuff wollen wir jetzt mal gar nicht reden.

Es ist also nicht nur der „Uhrmacher“ war ein Meister der Improvisation, nein, diese Fähigkeit zieht sich offenbar durch alle Berufs-Sparten. Wozu denn Ersatz-Teile, wenn man sich auch so helfen kann.

Am Flughafen von Puerto Princesa


Oh Mann, jetzt hätte ich bei der ganzen interessanten Eindrücken fast die Zeit vergessen! Heute ist ja schon der 12. Ich muss unbedingt noch raus zum Flughafen, für morgen meinen Flug nach Manila „reconfirmen“. Da die PR 197 von Manila in etwa um 16:00 Uhr landet und um 16:50 als PR 198 wieder zurückfliegt, müsste es doch mit dem Teufel zugehen, wenn jetzt, um diese Zeit, von der Philippine Airlines (PAL, manchmal auch PR) nicht irgendjemand da wäre.

Kein Problem, auf der Checkliste für morgen bin ich der Zweite. Die Chance, morgen wegzukommen, ist also verdammt hoch.

Nachdem das mit dem Flug morgen geklärt ist, gehe ich links vom Flughafen noch in eine etwas schmuddelige „Cantina“. An einem Tisch sitzen vier Männer um eine mitten auf dem Tisch stehende große Schüssel herum. Nach alter Väter Sitte essen sie Reis und Fisch – mit den Fingern. Sieht so aus, als ob das Essen nicht sehr heiß ist, sonst könnten sie sicher nicht so ungeschützt da reinfassen. Richtig. Ich hab irgendwo gehört, dass der Filipino es sogar vorzieht, erst zu essen, wenn schon alles kalt ist.

Die vier sind so mit Essen beschäftigt, dass sie mein Reinkommen gar nicht bemerkt haben. Zehn Minuten sitz’ ich nun schon da und schau’ ihnen zu. Mit viel Mühe kann ich dann einen dazu bewegen, mir etwas zu trinken zu bringen, ich bin nämlich am Verdursten. Einer bringt mir dann, wie ich’s schon von anderen Kneipen her kenne, in einer dreckig-rostigen Flasche brühwarme Cola – ein Genuss.

Die Bedeutung kleiner Taten


Ich gehe zurück in die Pension und lass den Tag Revue passieren. Zum Einschlafen les’ ich noch in einem philippinischen Buch:

An old man was walking along the beach. Suddenly he spots a young teenager picking up starfish which have been stranded in the sand and throwing them back into the ocean.
„Why are you doing that?’, he asks the young man. „Because the stranded starfish will soon die if they are left here in the sun“, is the reply.
„But the beach is miles long and these must be thousands of starfish“ the man says, „what a difference can your efforts make?“
The young man looks at the starfish in his hand as he throws it into the waves.
„It makes a big difference to this one“, he says.

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