Sonntag, 18. Dezember 1988
Der letzte Tag auf Boracay
Gestern waren es genau zwei Wochen, seitdem ich auf den Philippinen bin. Ein Drittel der Reise ist also inzwischen um. Zeit, meine Finanzen zu checken. Anfangs hatte Traveller-Schecks in Höhe von 1000 US-$ dabei. Jetzt habe ich noch Schecks für 600 US-$, außerdem 1.500 ₱, was etwa 120 bis 130 Mark sind. Ich dürfte also trotz der teilweise hohen Ausgaben (AL 1, Überfahrt übers Südchinesische Meer) mit meinem Budget auskommen.
Im schlimmsten Fall habe ich dann immer noch die Kreditkarte. Das das funktioniert, verstehe ich bis heute noch nicht.
Frühstück im Titays“
Eigentlich gab es, seit ich da bin, jede Nacht Stürme. Auch heute tut sich die Sonne noch echt schwer, durchzukommen. Tagsüber wurde es dann in der Regel besser. Zum Frühstück bin ich heute wieder im „Titays“. Bisher war Boracay – nach dem Underground – das Größte, was ich je erlebt habe. Ich fühl’ mich zu allen Schand-Taten bereit.
„Opfer“ wird eine am Nebentisch sitzende, sehr sympathisch wirkende Frau. Die muss ich einfach ansprechen! Doch die Sache ist alles andere als einfach. Versuch du mal, eine Unterhaltung zu starten, wenn die Frau aus der französischsprachigen Schweiz kommt und dein Französisch aus exakt drei Wörtern besteht: „Bonjour“, „Merci“ und „Baguette“ … Als ob das nicht reicht, scheint mein Englisch heute auch noch total eingerostet zu sein. Also bleibt’ s heute Früh lediglich beim Vor-sich-Hin-Schwärmen. Das war’s dann aber auch.
Da ich Süßkram wie Croissant oder Donuts nicht mag, probier’ ich heute „Sinangag“ aus. Das soll ein typisches philippinisches Frühstück sein, einfach aber herzhaft. Bin gespannt, was kommt. Dazu gibt’s wie immer Nescafé und Orangensaft. Das Essen wird gebracht: Ein Teller, zur Hälfte gefüllt mit gebratenem, mit Knoblauch und Frühlingszwiebeln verfeinerten Reis, daneben ein Spiegelei. Riechen tuts schon mal gut. Der erste Bissen ist auch nicht schlecht. Ein bisschen zu „knusprig“ vielleicht, aber mit dem schwarzen Pfeffer richtig fein abgestimmt und lecker.
Erkundungen im Süden Boracays
Nach dem Frühstück lauf ich vom „Titay“ aus einfach mal ostwärts. Ich will zum Tambisaan Beach. Der Weg ist gesäumt von Bananenstauden und rot blühenden Büschen. Im Gegensatz zum White Beach in Puerto Princesa verlaufen hier über dem Weg kreuz und quer Stromleitungen. Ab und zu passiert man Hütten mit Wäsche im Vorgarten und kleine Stores mit Snacks, Obst und Pepsi. Hinter Bantud wird die Umgebung ländlicher, bis ich schließlich das Meer erreiche. Direkt vor uns liegt jetzt Crocodile Island, etwa einen halben Kilometer entfernt – kein Ort für Krokodile, aber anscheinend ideal zum Schnorcheln und Tauchen.
Ich gehe weiter zum Tambisaan Beach. Der etwa 500 Meter lange Strand kann zwar nicht mit dem White Beach mithalten, dafür erwartet mich atemberaubend blaugrünes Wasser. Ein ideales Fotomotiv. Aber – oh Mann! – die Top Shot macht jetzt auch Sperenzien. Wer konnte schon ahnen, dass deren Batterien auch so schnell auch „alle“ sind. Am Nordende des Tambisaan Beach führt ein schmaler Pfad 200 Meter durch den Wald – eine zehnminütige Wanderung, die sich lohnt. Ich bin nun an einem Strand, noch unberührter als der Tambisaan Beach, ohne jegliche Spur von Zivilisation, ähnlich dem gestern mit Rosalore und Lothar.
Werner und ich – beide am Rennen
Jetzt aber wieder zurück zu Menschen. Wenn ich drauf achte, dass die Sonne links ist, müsste ich theoretisch nach Westen laufen und dann irgendwann – spätestens nach einer Stunde – wieder in bewohntes Gebiet kommen – schließlich ist Boracay ja nur ein bis eineinhalb Kilometer breit. Und genau hier, wo ich denke, dass ich nun wirklich „am Arsch der Welt“ bin, werde ich fast von einem Fahrrad überfahren – ausgerechnet von einem Deutschen. Auf diese Weise lerne ich Werner kennen. Im Sommer hat er eine Imbissbude an einem Stausee bei Augsburg, im Winter macht er einen auf Bike-Trotter oder wie heißt das, wenn einer mit dem Fahrrad tourt? Auch nicht schlecht, so ein Leben. Wir reden nicht viel miteinander und er zeigt mir, wie ich am schnellsten zurück in die Zivilisation komme. Dann verabschieden wir uns.
Wenn der Bauch plötzlich rebelliert
Mist, ich muss mir beim Frühstück irgendwas eingefangen haben, es grummelt ganz schön im Gedärm. Weit und breit kein Klo und Papier und Tempo-Taschentücher habe ich auch nicht dabei. Obwohl es „pressiert“, versuche ich langsam zu gehen. Schnelles Gehen oder gar Rennen verschlimmert die Symptome nur noch. Immer wieder muss ich aufstoßen. Durch tiefes, langsames Atmen versuche ich den Bauch zu beruhigen. Aber letztendlich heißt es „Klemmen“.
In Joanas Store, wo es auch Essen gibt, finde ich dann endlich eine Toilette. Es ist zwar nur eine kleine, fensterlose Wellblechhütte, deren Tür einer Schnur verschlossen wird und in deren Boden ein betoniertes Loch eingelassen ist, aber für mich bedeutet das die Welt. Zum Glück gibt’s hier auch noch Klopapier und einem Wassereimer mit einer Schopfkelle aus Plastik.
Der Dünnpfiff hat ganz schön durchgehauen. Jetzt geht es mir aber schon deutlich besser. Nach diesem für mich so wichtigen „Event“ trinke ich bei Joana noch ein Cola und kauf mir gegenüber an einem Stand zwei Bananen und Salz-Cracker. Das soll bei Durchfall helfen.
Bis zum Ferienresort von Felix de Los Santos dürfte es jetzt noch ne knappe Stunde sein. Das ist weiters nicht mehr so schlimm, da es hier am White Beach ein Restaurant am andern gibt, sodass ich zur Not nochmal kurz in eines rein kann.
Wieder zu Hause
Gegen 14:00 Uhr komme ich wieder „zu Hause“ an. Ich werf’ ich mir erst mal eine Imodium ein, dann leg’ ich mich flach aufs Bett. Für heute ist mir die Lust auf größere Aktionen vergangen. Ein „Hello Mister Hengl“ an der Tür aber lässt mich aufhorchen. Was ist denn jetzt los? Es ist ein Boy, der mir sagt, dass ich meine gewaschenen Klamotten abholen könne. – Die hätte ich jetzt glatt vergessen. Klar, ich hab sie am Freitag zum Waschen gegeben aber dann einfach nicht mehr dran gedacht
Gegen vier hol meine Klamotten, dusch mich und zieh mir was „Neues“ an. So ausstaffiert, mit gewaschener Jeans und gewaschenem T-Shirt ist man einfach wieder Mensch. Das Imodium wirkt inzwischen auch und der Darm gibt ziemlich Ruhe. Da sieht man mal wieder, wie „Kleinigkeiten“ (ist’s jetzt die Imodium oder sind’s die frischen Klamotten?) einen Menschen wieder aufrichten können. Am späteren Abend (morgen geht’s dann ja schon wieder weiter) geben mir Felix’ Mitarbeiter zum Abschied noch einen „Añecho“ aus.
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